Vorsicht, langer Bericht 🙂
„6 Tage in Rio? Ist das nicht zu viel Zeit für eine Stadt allein? Städtetouren sind meist Wochenenden. Viele legen mit einem Schiff in irgendwelchen Städten an und erkunden die Stadt als Tagestour. Und ihr so 6 Tage? Macht ihr Urlaub da so einfach?“
Vorweg – Rio ist keine Stadt für eine Art Badeurlaub. Wer in seinen Urlauben darauf aus ist, schnell die wichtigsten (touristischen) Dinge zu sehen, dem empfehle ich nicht die 9 Stunden Tagestour, denn das ist zu wenig um überhaupt Eindrücke zu sammeln, sondern ggf. eben die 3 Tagestour. Da macht man die Haupt-View-Points und hat dort sogar etwas Zeit zu reflektieren. Besser dann noch – eingepackt vielleicht in einem Brasilienurlaub der so aussehen könnte wie: 1 Woche Amazonas, 3 Tage Rio, 2 Tage Iguazu-Wasserfälle, 5 Tage irgendwo Strand.
ABER – das ist nicht unsere, nicht meine, Art zu Reisen. Auch in 6 Tagen lernt man eine Stadt nicht kennen, aber man kommt doch ein wenig tiefer in den Alltag und abseits der Standardwege. Und darüber möchte ich hier berichten.
6 Tage Rio de Janeiro waren erlebnisreich, aufregend, intensiv und sehr oft überraschend. Also los – thematisch gegliedert schon mal für die, die gerne Bereiche überspringen 🙂
- Anreise, Einreise und die Copacabana und überhaupt, was bedeutet Rio de Janeiro?
- Christus Statue, Zuckerhut, Manacana Stadion – Mainstream Points, aber nicht schlecht
- Marina und Zukunftsmuseum – unbedingte Empfehlung
- Altstadt von Rio und EducAfro – letzteres ein sehr außergewöhnliches Erlebnis
- Szene-Viertel Santa Teresa – ohne das geht es nicht
- Friedhof in der Fremde – immer sehr eindrucksvoll, da ganz anders
- Umland der Stadt – von Stränden und Kaimanen
- Botanischer Garten – kühle Natur
- Favela’s – ein eigener Bericht
- Tipps um Sicherheit, Stromadapter, Uber, Geld, Restaurants …
Hier ein Überblick bei Google-Maps über die Lage der Bezirke, Strände und Sehenswürdigkeiten.
Anreise, Einreise und die Copacabana
Zur Einreise muss man nicht viel sagen – es ist eben tagesaktuell zu recherchieren. Wir konnten nun endlich wieder auf Reise gehen, weil Brasilien nur einen PCR Test und den Impfstatus verlangte und Deutschland das Land nicht als Virusvariantengebiet erklärt hat. Der Hinflug ging von Berlin aus (BER) über Frankfurt dann direkt nach Rio. Abfertigung am BER klappte gut und zügig, allerdings kam der große Koffer erst am Tag 4 von 6 in Rio an 🙁
Rückflug war anders organisiert, denn von Rio ging es zuerst nach Sao Paulo und von dort nach Frankfurt und Berlin.
Hier dann in Berlin zeigte sich die schon bekannte Schwäche des BER – man wartet fast 45 Minuten auf die Koffer aus einem Linienflug Frankfurt-Berlin … 🙁
Kleine Vorwarnung für Rio und Sao Paulo – die Wege vom Flieger zur Passkontrolle oder in zu den Gates sind …. lang. In Rio sagte mir mein Smartphone 1,1 km Fußweg (ohne Förderbänder zwischendurch). Sao Paulo war es ähnlich, gefühlt mehr. Dummerweise hatte ich meinen Fotorucksack und mein Alter als Bürde (mit Alter meine ich Rücken). In Zukunft wird es statt Fotorucksack einen Fototrolley geben!
Da die Reise ein Geschenk war, hatte ich ein Hotel direkt an der Copacabana geordert – das Hilton, Suite, 31. Stock, teuer aber mit wunderbarem Blick auf den Strand und das Meer. Was man bedenken muss – hohe Luftfeuchtigkeit, salzhaltige Luft – jede Fassade, jedes Holz, alles „leidet“. Man darf kein Flair, selbst im Hilton, erwarten, wie in Dubai o.ä. Städten.
Woran man sich als Deutscher gleich gewöhnen muss ist, auf die ureigenen Tugenden der Deutschen zu verzichten. Schnell geht anders. 4 Leute vor einem an der Rezeption kann schon mal 45 Minuten dauern, trotz 5 Leuten hintern Thesen. Genauso läuft das in den Geschäften (in denen wir ja die fehlenden Klamotten kaufen mussten, weil es keinen zweiten Koffer gab … ).
Btw: Woher kommt der Name der Stadt und wieso soll die Copacabana denn ein Highlight sein?
Der Name der Stadt ist ein großer Irrtum. Sagt man … aber meine Logik sagt, so dumm waren keine Seefahrer.
Rio de Janeiro bedeutet „Fluss im Januar“. Er beruht angeblich auf einem Irrtum des portugiesischen Seefahrers und Entdeckers Gaspar de Lemos, der die Guanabara-Bucht am 1. Januar 1502 ansteuerte und für die Mündung eines großen Flusses hielt. Aber ehrlich mal – die Portugiesen, Seefahrervolk, Umrundung der Welt … die merken nicht, dass das Wasser in der Bucht ausschließlich salzhaltig ist und nicht verdünnt durch das Süßwasser eines Flusses? Alle an Bord hatten eine Salz-Geschmacksarmut? So erfahrene Seefahrer können nicht zwischen einer Bucht und einer Flussmündung unterscheiden? Nun ja, der Mythos hält sich oder er wurde geboren um portugiesische Seefahrer zu verunglimpfen. Vielleicht meinte er ja auch nur: „Man, wäre ich doch in diesem Januar nur an einem Fluss gelandet…“. Wie auch immer.
Die Copacabana ist wohl der bekannteste Strand in Rio. Auch gerne besucht und bei Touristen beliebt, weil er preisgünstiger ist – Ipanema, der Nachbar-Strand. Die Copacabana ist sicher, aber niemand lässt seine Sachen ohne Aufsicht liegen. Das Wasser ist nicht wirklich warm, aber man kann durchaus baden. Allerdings ist die Brandung nah, was auf Untiefen in Strandnähe weist und die Wellen sind oft hoch. Weiter als bis zur Hüfte geht niemand ins Wasser. Strandurlaub ist es also eher nicht.
Der Strand ist eine Art Selbstdarsteller-Bereich. Körperkult, gut aussehende Menschen mit Waschbrett- statt Waschbär-Bauch wollen alle irgendwie entdeckt werden. Es wird an unzähligen Volleyballplätzen die Nationalsportart zelebriert – Fußball. Volleyball also ohne Hände. Alle paar Meter stehen Fitnessgeräte für alle Art von Muskeln. Viele Händler ziehen umher, aber niemand belästigt einen. Mit einem freundlichen „obrigado“ – Danke – und Kopfschütteln einen Kauf ablehnend, ziehen sie dann weiter. Ohne Gram, wie es scheint. An beiden Enden der Copacabana gibt es Café’s und man kann dem Treiben gut zusehen, bei einer z.B. kühlen Caipirinha, die alkoholisch definitiv besser gefüllt sind als hier in einem Club 🙂
Auch steht an einem Ende die Bronze-Statue der brasilianischen Schrifstellerin Clarice Lispector. Es lohnt, das eine oder andere Buch von ihr zu lesen – so als Tipp. Merkwürdig und schön eigentlich, dass an dem Strand der Körperdarstellung ein Denkmal zum Lesen steht. Am anderen Ende der Copacabana ist übrigens das alte Fort mit einem ebenfalls tollen Blick auf den Strand.
Will man einmal abends/ nachts nicht weit weg unterwegs sein, kann man fußläufig die eine oder andere kleine Kneipe aufsuchen, in der man dann ggf. sogar ein kleines Live-Konzert hautnah erleben kann. Wir waren dort mit nur ca. 8 Gästen, mit Fingerfoot und kühlem Bier angetan von einer grandiosen Stimme des Bossanova und Jazz. Anschließend kamen Sängerin und Pianist dann sogar am Tisch vorbei und fragen, wie es war 🙂
Ach ja, die Copacabana und eine Unterkunft dort irgendwo, ist definitiv ein guter Ort, um die Stadterkundungen zu meistern. Aussichtspunkte, aber auch alle Art von Exkursionen lassen sich durch die räumliche Nähe gut beginnen. Und ca. 1 km Fußmarsch entfernt ist ein großes Einkaufszentrum für Dinge, die man dann mal doch so brauchen könnte.
Christus Statue, Zuckerhut, Manacana Stadion – Mainstream Points, aber nicht schlecht
Tja, man muss sich ja nicht schämen, auch diese Dinge zu tun 🙂
Es macht Sinn, wenn man es organisieren kann, früh an der Statue zu sein und vorher den Wetterbericht schon über ein paar Tage zu verfolgen. Oft ist die Statue einfach ÜBER den Wolken. Die nasse Atlantikluft steigt einfach an den Bergen zur Christus Statue, aber auch am Zuckerhut hoch.
Ist man gleich früh an der Statue, ist die Besucherzahl übersichtlich. Einfach gleich ganz nach vorne gehen, dann hat man den Blick auf die Stadt, die Strände, den Zuckerhut und auch den richtigen Abstand für ein Selfie mit Christus im Rücken.
Die Statue ist 30m hoch und man sieht sie quasi von jedem Punkt aus in der Stadt. Sie ist so gebaut, dass Christus die Stadt mit seinen ausgebreiteten Armen umspannt, beschützt. Sie war bis 1981 die größte Christus-Statue der Welt und dann kamen die „Kopierer“. Aber – was bedeutet schon, wenn andere etwas nachmachen. Ursprung ist Ursprung.
Der Zuckerhut wird mit 2 verschiedenen Seilbahnen „erklommen“. Die schönen Eindrücke bekommt man fotografisch wohl eher auf halber Höhe, da ganz oben im Sekundentakt die Wolken am Zuckerhut selbst emporsteigen. Ich bekam keine wirklich „freie Sicht“ Fotos hin, immer war etwas verschleiert. Aber es ist beeindruckend. ggf. ist es zu einer anderen Jahreszeit besser.
Wenn es möglich ist – und das geht eben nur, wenn man zeitlichen Spielraum hat, beobachtet man das Wetter und versucht es zu Zeiten, an denen wenig Leute anstehen. Oben gibt es ein kleines Restaurant. Setzt euch hin, esst und trinkt etwas und verweilt einfach 2 Stunden, genießt den Ausblick und lasst euch durch den Kopf gehen, wo ihr gerade seid. Dann lässt Christus auch garantiert mal ein paar Wolkenlücken für euch aufkommen 🙂
Der Zuckerhut ist 396m hoch, sagen wir also 400, denn man macht eh einen Luftsprung, wenn man dort sein darf. Der Name kommt wirklich vom Zucker. Zuckerrohranbau war für Rio bedeutend und man Exportiere den Zucker in Form von sogenannten Zuckerbroten als Ladung auf den Schiffen. Die hatten eine adäquate Form.
Was man bei jedem Wetter dann auch unternehmen kann, ist ein Besuch im Manacana-Stadion. Es war 1950 das größte Fußball-Stadion der Welt mit knapp 200.000 Besuchern. Heutzutage reguliert sich das auf, international betrachtet, vergleichbare Zahlen von knapp 80.000 Besuchern. Fußball-Fans müssen da unbedingt rein, denn man besichtigt nicht nur das Stadion sondern auch das Museum mit Fußabdrücken von Beckenbauer, Ronaldo, Kaká, …, den Fußball, mit dem Pelé sein 1000. Tor schoß, die Umkleiden usw. – Ist schon interessant, auch wenn das WM Fiasko von 2014 hier nicht wirklich „verewigt“ wurde 🙂
Marina und Zukunftsmuseum – unbedingte Empfehlung
Rio als Stadt hat eine Menge Bezirke. Viele gleichen irgendwie von Aufbau und Baustruktur irgendwie Kreuzberg. Aber natürlich hat man einen tollen Stadtkern, modern, Kultur beladen, wirtschaftlich. Was ich empfehlen kann ist der Besuch einer der schönsten Kirchen und von dort aus ein 15-20 minütlicher Fußmarsch zum Zukunftsmuseum, an der Marina.
Aber beginnen wir mit der Kirche Igreja da Candelária, vor der sich eine Skulptur befindet, aber auch ein Denkmal steht. Zu dem gleich mehr.. Beeindruckend der Innenraum mit Altar, aber auch durch die Buntglas-Fenster, die aus Deutschland, Augsburg, stammen.
So schön wie diese Kirche ist, so tragisch ist der Standort. Was man nicht vergessen darf ist, dass südamerikanische Staaten oft durch Militärdiktaturen regiert wurden, wie man ja auch gerne vergisst, dass derart Diktaturen vor nicht allzu langer Zeit auch in Griechenland und Spanien agierten. Auch hier in Rio ist die Geschichte geprägt durch die Auswirkungen solcher Diktaturen. Am 23.07.1993 gab es an diesem Ort ein Massenmord durch polizeiliche Todesschwadronen an 8 Obdachlosen, darunter 6 Minderjährigen. Heute bezeichnet man es als Massaker. Das Denkmal ist die Mahnung an die heutige Zeit.
Nach dem Besuch der Kirche kann man sich zu Fuß in Richtung Museu do Amanha, dem Zukunftsmuseum bewegen. Vorbei an Geschäften und Banken braucht man nur etwa 20 min.
Dann steht man an einem großen freien Platz mit einem beeindruckenden Bauwerk, dem Museum, das die Zukunft der Erde und der Menschheit versucht zu dokumentieren und zu prognostizieren. Es öffnet um 10 Uhr und man sollte sich online via Eventim anmelden. Allerdings wurde meine deutsche Registrierung nicht akzeptiert und ich hätte ein brasilianisches Konto inkl. Kreditkartenhinterlegung erstellen müssen. Aber nach 23 Flüchen auf deutsch holte man uns, an der Warteschlange vorbei gehend, an den Schalter, an dem man bequem per Karte bezahlen konnte. Ach ja, wenn ihr alt seid, also so richtig, so wie ich, bekommt man ermäßigt …. Ich hätte aber gerne auch voll bezahlt … na ja.
Beeindruckend, nachdenklich machen, aber auch intensiv modern erlebnisreich werden hier geologische, soziale, ethnische, biologische Zusammenhänge dargestellt und es wird versucht zu erahnen, was aus uns und der Erde wird. Eines der besten Museen der Moderne, die ich kennenlernen durfte.
Eine Umrundung des Museums lohnt auch. Man schaut auf die lange Brücke, die auf die Insel führt, auf der u.a. das Niemeyer Museum steht, aber man sieht auch das ursprüngliche Zollhaus, an dem die einlaufenden Schiffe damals ihre Gebühren errichten mussten. Heute ein Museum, das auch Führungen anbietet.
Altstadt von Rio und EducAfro – letzteres ein sehr außergewöhnliches Erlebnis
Zeit nehmen und die Altstadt erlaufen! Vorbei an der die Gläubigen spaltenden Modernen Kathedrale, durch die schönste Bibliothek der Welt, durch die Gassen und über verschiedene Märkte der Einheimischen, durch Kirchen, ans Aquädukt zum zentralen Theaterplatz …. ach ja.
Beginnend an einer Art Event-Club in Santa Teresa zogen wir los zur „Modernen Kathedrale“. Die Bauweise spaltet die Einwohner noch immer. Was aber bleibt ist der Eindruck, wenn man in ihr steht.
Das historische Zentrum von Rio selbst hat seinen Charme durch den Anblick von Zerfall, historischer Architektur und einfach der Nutzung im heutigen Alltagsleben. Es ist kein herausgeputztes Zentrum und jeder genaue Blick lohnt immer wieder.
Wie hier in den Bildern – schöne alte Architektur eines ehemaligen Hotels, nun ein Lager oder das Denkmal von Dom Pedro I mit der ersten Verfassung Brasiliens in der Hand. Das Denkmal hat im Sockel die 4 damaligen Provinzen mit der indigenen Bevölkerung und den typischen Tieren Brasiliens abgebildet.
Völlig unscheinbar kommt dann ein Gebäude daher, in das ich unbedingt hinein wollte. Warum? Ich war in Buenos Aires schon im schönsten Buchladen der Welt. Und hier gibt es die schönste Bibliothek der Welt. Ein Reich der wertvollen Bücher, die man aus Portugal evakuierte, bevor Napoleon diese auf seinem Europa-Feldzug rauben konnte. Und sie sind immer noch hier, im Royal Portuguese Reading Room (“Real Gabinete Portugues Da Leitura“).
Zu Fuß ging es dann weiter durch die vielen kleinen Gassen. Man sieht, dass die Architektur der heutigen Zeit zum Opfer fällt, weil durch Sicherheitsmaßnahmen für die Ladenbesitzer das Erdgeschoss einfach verbarrikadiert werden muss und Säulen, Toreinfahrten … „angepasst“ wurden. Ein Blick aber auf Etage 1 und höher lässt wieder erahnen, wie es einmal aussah.
Wir zogen also durch die Gassen, abseits der Touristen und schauten dem Treiben der Bewohner zu. An den Läden sieht man Leute erhöht sitzen mit dem Blick ins Innere. Das sind menschliche Überwachungskameras 🙂
Auf den Märkten findet man nichts für Touristen, sondern viel billiges Zeugs Made in China, dass sich die Leute eben leisten können. Aber es ist interessant, dies alles zu erleben, weil es genau ihr tägliches Leben ist.
Fußlahm kann man dann gerne einen Halt in einem sehr schönen Kaffee-Haus machen. Klein, aber durch die vielen Spiegel unheimlich viel Raum suggerierend.
Einen Abstecher muss man unbedingt auch in die Igreja de São Francisco de Paula machen. Eine wunderschöne Kirche. Und der Innenraum ist vollständig mit geschnitzten Dekorationen bedeckt! Alles Holz!
Und wie schon erzählt – wir sind gerne abseits der normalen Routen unterwegs. So führte unser Weg auch in einer Nebengasse in eine kleine Pfarrei. Die Kirche der Sklaven, der Schwarzen.
Man muss wissen, die Bevölkerung Brasiliens ist zwar überwiegend farbig, aber die Geschichte wird immer noch weiß deklariert. Arme und farbige Menschen haben nur bedingt Zugang zu Bildung und Wissenschaft. Man versucht jetzt durch gesetzlich festgelegte Quoten an Universitäten, das zu korrigieren. Aber man benötigt dazu ja einen bestimmten Bildungsabschluss vorher. Wir kamen also in diese Kirche, abseits von Touristenströmen und schauten uns um. Wir fielen auf. Weiße, touristische Gesichter (ja ja, ich sehe einfach so aus) in der Kirche der Schwarzen … Bevor wir uns umdrehen konnten, sprach man uns an, freute sich über unser Interesse an genau dieser Kirche usw.
Wir erlebten nun eine vollkommen individuelle Führung durch Kirche, aller Nebengelässe und Gänge, man berichtete uns, wie man versucht eine Art Museum der schwarzen Kultur aufzubauen und erklärten uns, dass sie mit der Initiative „EducAfro“ etwas ins Leben gerufen haben, nämlich Bildungsangebote für Arme und Schwarze zu ermöglichen, die einen Abschluss mit Berechtigung zum Besuch einer Hochschule beinhalten. Man interviewte uns sogar für ihren YouTube Kanal und Bilder mit uns sowie der Fahne der Initiative waren für sie wichtig. Sehr sehr intensiv diese Erfahrung.
Und dann ging es wieder zu Fuß weiter vorbei an moderner Architektur, einem Kloster bis hin zum zentralen Theaterplatz, an dem sich auch das Parlament der Provinz Rio befindet. Das Theatro Municipal do Rio de Janeiro gilt als eines der schönsten und wichtigsten Opernhäuser ganz Brasiliens.
Btw. Die Klöster waren damals immer die höchsten Punkte in der Stadt (bevor die moderne Hochhausarchitektur dazu kam) und so hatte man von dort aus eine gute Übersicht über das Treiben in der Stadt. Fernsehen á la Big Brother damals schon 😀
Dann gelangt man an das alte Aquädukt, das gerade wieder frisch gestrichen wurde und wir befanden uns wieder an der Rückseite des Club-Gebäudes, an dem unsere Tour begann.
Szene-Viertel Santa Teresa – ohne das geht es nicht
Straßenkunst überall. Gesprüht oder als fantastische Mosaiken an Mauern und Laternenpfählen. Wozu sollen die auch immer nur so … Beton sein? In kleinen Kneipen ideenreiche Fensterkunst. Leckeres Fingerfood gibt es in vielen kleinen Läden an den Straßen. Es macht Spaß, durchs Viertel zu ziehen.
Erobert haben wir es uns zuerst Tags über. Nachdem wir uns dann auskannten und auch sicher fühlten, waren wir auch nachts unterwegs und genossen Getränke und Live-Musik.
Irgendwann stießen wir auf einen Künstler, der aus Abfällen nachhaltige Kunst herstellte. Urtypische Unikate und natürlich kauften wir auch etwas bei ihm.
Die hohe Luftfeuchtigkeit lässt keiner Fassade eine Chance. Nach 3 Wochen ist alles vermoost, man erahnt manchmal nur, was da gesprüht wurde. Aber es kommt ja täglich etwas hinzu.
Und dann war da noch das eine Hotel das, mich jedenfalls, nachdenklich machte. Denn hier wohne Amy Winehouse bei ihrem letzten privaten Auftritt, den sie betrunken und voll Drogen dann abbrach. Ggf. kennt ihr die Szene aus der Doku über sie.
Etwas tiefer gelegen gelangt man dann zu einem bedeutsamen Kunstwerk, die Fliesentreppe von Jorge Selaron, einem chilenischer Künstler, der Künstler typisch immer irgendwie Pleite war. Aber er begann irgendwann die Treppe, an der er wohnte, mit Fliesen zu versehen. So wurde diese zu einem der längsten Kunstwerke weltweit und große Städte wie Berlin freuten sich irgendwann, dass auch Fliesen von ihr mit eingearbeitet wurden.
Die Treppe ist ein touristischer Magnet. Magneten ziehen sich ja ggf. an, so auch Kleinkriminelle. Man sollte also Schmuck und Uhren vorher abnehmen 🙂
Genauer: Selaron zog 1980 in das Viertel Lapa und ließ sich in einem Haus neben der Treppe nieder. Er begann dann 1990 die 215 Stufen der Treppe mit gespendeten Fliesen zu versehen. Die Treppe wurde bekannt und zum Wahrzeichen Rio’s erklärt und sogar zur Olympia Bewerbung mit eingebunden. Selaron war aber auch Künstler in anderen Bereichen. Er malte und skizzierte, hantierte mit einer Unzahl von Badewannen, liebte Frauen und Frauenkörper und ein Kunstwerk war so u.a., dass er an einem Tag 365 schwangere Frauen zeichnete. Künstler eben 🙂
Am 10.01.2013 wurde er tot aufgefunden. Offizielle Untersuchungen gehen von einem Suizid durch Depressionen aus. Aber man munkelt auch, dass er nicht gewillt war, die Einnahmen durch die Treppe mit Drogenbaronen der Favela’s zu teilen…. Man fand ihn dann tot an seiner Treppe.
Durch Spenden wurde ihm ein außergewöhnliches Grab zuteil. Mehr dazu unter Friedhof …
Friedhof in der Fremde – immer sehr eindrucksvoll, da ganz anders
Immer wenn ich/ wir in einer fremden Stadt sind, versuchen wir einen Friedhof zu besuchen. Warschau, Buenos Aires kann ich da empfehlen. Und so waren wir auch diesmal auf einem unterwegs. Die Kultur des Sterbens und der Umgang mit dem Tod überhaupt, ist überall anders als bei uns. Monumentale Grabstätten, aber auch die Besonderheiten des Untergrundes auf den Friedhöfen … immer ist alles anders.
Hier kann man nicht tief in die Erde vordringen, also baut man eine Art Einschübe in genormter Sarg- oder Urnengröße, die man kaufen oder mieten kann. Die Anlage ist einem Park ähnlich und trotz in der Stadt gelegen, wunderbar ruhig. Man findet auch das Grabmal der Begründer des Flugwesens Dumont. Der Streit zwischen USA und der Gebrüder Wright und der Familie Dumont ist ja immer noch aktuell – wer war der erste Flugpionier.
Und auf diesem Friedhof liegt auch Selaron. Eine deutsche Stewardess rief damals zu einer Spendenaktion auf und sammelte Geld, um ihm ein adäquates Grab zu schaffen. So kaufte man also die Grabstätte und baute sie aus, wie nachfolgend zu sehen. Irgendwie wirklich würdig.
Ach ja, eine Beerdigung dauert hier nicht lange. Derjenige lebt eh nicht mehr und das Wetter für langes Stehen und lange Reden ist sowieso zu warm und überhaupt, es geht ja weiter 🙂
Umland der Stadt – von Stränden und Kaimanen
Verlässt man die Stadt in Richtung Süden, kommt man an der Favela Rocinha vorbei und fährt in Richtung des Olympischen Dorfes bzw. des jetzigen Stadtviertels. Das ist ca. 20 km von der Innenstadt weg. Strand an Strand reiht sich und man ist sehr schnell aus dem touristischen Bereich heraus. Hier gehen nur die Einheimischen baden und surfen und man gelangt in das Naturschutzgebiet mit seinen Sumpflandschaften und der schon beginnenden wilden Natur.
Wir mieteten uns für eine Stunde ein Boot und fuhren vorbei an Mangrovenwälder sowie bewohnten oder verlassenen Häusern, sahen viele Vogelarten und Kaimane. Urwaldartig alles und doch so dicht an der Stadtgrenze.
Rio allerdings hat auch den größten Stadtwald der Welt, trotzdem lohnt ein Ausflug ins Naturschutzgebiet im Umland.
Botanischer Garten – kühle Natur
Heiß, manchmal ist es schweißtreibend heiß, wenn man unterwegs ist. Luftfeuchtigkeit von 85% bei 30 Grad. Erstaunlich, wie dann ein Besuch des Botanischen Gartens akklimatisierend wirkt.
Der Besuch empfiehlt sich also definitiv an heißen Tagen. Und man sieht auch, warum die Brasilianer bunte Farben so gerne mögen. Eigentlich ist durch die Wälder und das tropische Klima alles nur grün. Und jede Blume bringt Farbe in dieses grün.
Ganz in der Nähe ist dann auch die Pferderennbahn. Kommt man aus dem Botanischen Garten, einfach 500 Meter nach rechts laufen. Und es gibt wöchentlich auch Rennen. Für die, die beim Wetten Glück haben, eine Empfehlung 🙂
Tipps um Sicherheit, Stromadapter, Uber, Geld, Restaurants …
Tja, sicher? Unsicher? Gefährlich?
Es ist wie überall. Einerseits eine Frage der Einstellung, andererseits eine Frage der Vorbereitung und Vorsicht. Man geht nicht zu bestimmten Zeiten in bestimmte Viertel. Vielleicht fährt man auch zu bestimmten Zeiten nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Man erkundet sich vorher, begibt sich am Tag schon mal dahin, was man auch nachts erkunden will. Man nimmt sich einen einheimischen Guide oder eben Uber. Uber klappt definitiv super. mehr als 2 Minuten habe ich nie gewartet und es ist Spott billig. 20 Minuten Fahrt kam mich umgerechnet keine 3 Euro. Das kann man dann auch nachts machen, um zu einem Restaurant oder Aussichtspunkt zu kommen.
Seid vorsichtig, aber nicht überängstlich, denn sonst verpasst ihr Land und Leute und Eindrücke.
Strom: Adapter mitnehmen und auch ggf. (mach ich immer) eine Steckerleiste. Oft hat man nur 110 V und im Zimmer nur eine Steckdose mit 230V.
Restaurants: an der Copacabana gleich die Straße runter, überall oder
das Hotel von Amy Winehouse /Santa Tereza als Restaurant, Santa Teresa als Hotelnahme bei der Suche.
Unbedingt auch am Tag oder abends: Aprazivel – ein toller Blick auf die Stadt.
Aber ihr kennt euch aus und Google ist euer Freund 🙂
Guide Empfehlung für Ausflüge und Führungen siehe die Websites und bei TripAdvisor: Frank von „Discovery Rio“ mit seinem Teams von Guides. Der organisiert Touren und Ausflüge etc. Durch ihn wurde ich an Dirk vermittelt „Rio up and Down“. Beides Deutsche, die seit Jahrzehnten in Rio leben und die Stadt lieben.
das wars – sorry, weil lang und danke weil gelesen 🙂