Afrika, der Ursprung von … allem? Vom menschlichen Dasein, dem Gefühl von Freiheit, Weite und Vielfalt, Artenreichtum, Tragödien, Ausbeutung? Afrika bietet das alles. Und bei manchen Menschen belebt der Gedanke an Afrika eine Art Wunsch nach Ausbruch (aus dem momentanen Dasein) und Aufbruch (in eine völlig andere Welt).
Afrika muss man lieben gelernt haben, nicht bei allen springt ein Funke über. Das ist auch gut so, denn eine Liebe ist etwas, was man nicht mit allen teilt und teilen will. Aber wenn man sie gefunden hat, bleibt sie für immer.
In einer Welt vor unserer digitalisierten Medien-Zeit gab es in vielen Haushalten einen Fernseher. Einen – und niemand konnte ausweichen via Smartphone, Tablet oder PC. Die Einigung, was man als Familie gemeinsam schauen würde, pünktlich 20:15 Uhr nach den Nachrichten, war gar keine so schwierige Angelegenheit – bei nur 3 Senderoptionen. Zum Glück gab es schon damals eine Vielzahl von Dokumentationen aus fernen Gebieten, fremden Kulturen, faszinierenden Tierwelten. Ich glaube, hier begann meine unstillbare Sehnsucht nach Ferne und nach Erfahrungen über Menschen und Artenvielfalt. Hier bildete sich in mir eine feststehende Einstellung zu Freiheit, Neugier, der Art und Weise des „Leben und Leben lassen“. Erinnerungen an diese wöchentlichen Sendungen im Familienkreis formten den tiefliegenden Wunsch, wenn ich groß bin, auch das alles selbst hautnah spüren und erleben zu wollen.
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Kaum ein anderer Nationalpark ist so berühmt und bekannt, wie die Serengeti in Tansania. Der deutsche Zoodirektor und Tierfilmer Professor Bernhard Grzimek hat die ostafrikanische Landschaft und Tierwelt in den 50er bis 70er Jahren in seinen Fernsehsendungen ins heimische Wohnzimmer gebracht.
Bis heute geht von ihr ein ungebrochener Zauber aus. Bei vielen Naturliebhabern und Tierfotografen steht sie auf der absoluten „Bucket List“, vor allem zur großen Tierwanderung.
Träume sollten zu Zielen werden und diesen einen Traum habe ich mir, wir uns, endlich erfüllt.
Diese Reise war ein Ausbruch.
Kommt ein Aufbruch? Vielleicht.
Irgendwie, irgendwo, irgendwann.
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Hier beginnt sie nun, die eigentliche Geschichte.
Vorweg, Tanzania verfügt über eine Vielzahl von National- und Naturparks. Viele von ihnen sind über sogenannte Korridore miteinander verbunden, so dass die Wildtiere „wandern“ können, ohne zu sehr auf Probleme mit der Bevölkerung zu stoßen. Eine super Idee, die vielen Staaten Schule machen sollte. Aber Afrikas Probleme sind genauso groß wie artenreich.
Unsere Tour war wie folgt geplant:
- Amini Masai Lodge, West Kilimanjaro
- Burunge Tented Camp, Burunge NP
- Lahia Tented Lodge, Serengeti NP
- Mara Under Canvas Tented Camp, Serengeti NP
- Natron Camp, Lake Natron NP
- Tortilis Camp, Ngorongoro NP
- Endoro Lodge, Karatu
- Kili Wonders Hotel, Moshi
- Pink Flamingo, Moshi
Geplant wurde mit Klüger Reisen, Flug durchgeführt mit Eurowings Discovery und dann waren wir mit einem Personal Guide (Yassin) im großen Land Rover für die insgesamt 15 Tage unterwegs.
Der Aufenthalt in der Masai Mara Lodge war spannend, denn wir wurden in einer originalen Lehm-Hütte der Masai untergebracht und nachts kratzte schon mal „irgendwas“ an diesem Lehm. Wollte man nachts auf Toilette, ging das zwar aus der Hütte von Innen, aber die Toilette war außen offen. Gut als Belüftung, aber ggf. auch gut als Schlafplatz, für wen auch immer. Aber wozu hat man denn jemanden dabei, wenn man ihn nicht losschicken konnte, oft die „Luft reine“ ist. 🙂
Diese Community der Masai verwaltet das für Touristen angelegte Dorf sehr authentisch und völlig selbst. Keine Marketing-Agenturen hängen darin und das Geld bleibt bei ihnen selbst. Sehr lecker die liebevoll zubereiteten Speisen auf kreativ gedeckten Tischen.
Von hier aus konnten wir die ersten Game-Drives in den Arusha-NP starten, was bei uns mit einem geführten Fußmarsch begann, der uns sehr nah an Büffel und Giraffen führte.
Weiter ging erst dann im dann oben geöffneten Land Rover, in den ein Pavian-Männchen versuchte einzudringen und ich ihn mit meiner Kamera und 200er Objektiv daran hinderte. Kampf zwei wilder Naturen, sozusagen.
Den Serval in freier Natur zu sehen, war ein definitiver Highlight.
Abends einen tollen Blick auf den Kilimandscharo.
In den nächsten Naturpark gelangten wir über eine längeren Strecke auf normalen Straßen, durch kleine Dörfer und Städte und man konnte so den Alltag etwas beobachten.
Die eigentliche Safari beginnt nun. Im staubigen Outland (ich hatte deshalb zwei Kameras dabei, um keine Objektive wechseln zu müssen) kam nun endlich auch das Feeling im Kopf selbst an. Die Artenvielfalt Afrikas – und du hast sie vor dir. Halte dich an die Regeln (ok ok, dafür war ja Yassin zuständig, was Abstand zu den Tieren, Motor abstellen, Geschwindigkeiten etc. betraf) und verinnerliche alle Details, Geräusche, Gerüche. Speichere sie in deiner Kopf-Cloud. Bis zum Blackout sind sie da sicher und immer wieder abrufbar.
Btw: Staub in Afrika kennt keine Gnade. Er wird dich finden, egal ob du Fenster und Türen geschlossen hältst, er wird dich herausfordern in Kamera und Nase – und es fühlt sich toll an, weil er in diesem Augenblick genauso frei ist, wie du selbst. Um ihm aber doch etwas an seiner Freiheit einzuschränken, hatte Yassin an der Hintertür, dort, wo die Koffer ja gelagert waren, eine Masai-Decke eingespannt. Und diese ist extrem dicht (klar, die Masai kennen den Staub schon etwas länger), so dass die Koffer erstaunlich wenig Staub einfingen.
Spannend an jeder wirklichen Safari ist, dass du suchen musst, dass du nie weißt, was du sehen wirst. Es gibt keine Garantie und du musst dich der Natur „ergeben“. Safari is a way of life und das muss man auch so wollen. Diese Art zu Reisen bereichert mich unheimlich.
Ach ja, natürlich kann man derart Reisen auch als Selbstfahrer unternehmen. Gar kein Problem. Nur – warum sollte ich es? Yassin als afrikanischer Guide kennt Orte und Tiere wesentlich genauer als ich. Er sieht Tiere auch wesentlich früher und besser als ich, der es mit westlich geprägter Sehart so gar nicht gelernt habe. Und als Fotograf kann ich mich auf mein Handwerk konzentrieren und muss nicht zusätzlich das Auto und seine Umgebung im Blickfeld haben.
Und noch etwas – Reisen kann sehr verschieden sein. Aber viele Menschen in den Ländern sind direkt abhängig davon, dass sie Reisende Supporten. Die Pandemie führte u.a. dazu, dassFamilien das Schulgeld nicht mehr bezahlen konnten, Einkommen für Energie und Essen fehlten. Leben und leben lassen, nicht um jeden Groschen feilschen, sich daran freuen, dass sich jemand freut, der einem selbst zu unvergesslichen Erlebnissen verhilft. Und Yassin kannte alle Orte und Tricks als erfahrener Guide. Und dort wo viele Jeeps standen und beobachteten, fuhr er einfach vorbei. Und während alle anderen den Löwen (siehe oben) weggehend fotografierten (ach ja, ein Hinterteil kann schon entzückend sein), so bekam ich ihn hautnah vor die Kamera. Alleine!
Und dann brach auf den unendlich langen, staubigen, polternden Schotterpisten ein Bolzen, dazu noch an der Blattfeder. Aber es gibt keine Probleme (jedenfalls technischer Art), die man in Afrika nicht irgendwie zu lösen vermag. Diese Konstruktion (unter meiner Mithilfe als gelernter Ossi) hielt über 3 Tage mehrere hundert Kilometer. Bis wir die komplette Halterung mal schnell an einer Tanke austauschen konnten, nachdem per Flieger das Ersatzteil in der Serengeti ankam. So ist es einfach mal hier 🙂
Wir sind da, angekommen. Angekommen mit so vielen Facetten, wie das Wort angekommen hergibt. Real, mental, innerlich.
Der 14.763 qm riesige Serengeti Nationalpark ist das Kernstück zwischen der nördlich angrenzenden Maasai Mara in Kenia und dem Ngorongoro Schutzgebiet im Süden. Die Schotterpiste ist der einzige Landweg in die Serengeti. Jeder, der in die Serengeti möchte, fährt durch diese Region, die so wichtig ist für die großen Tierherden. Im Februar und März eines jeden Jahres ist sie Geburtsstätte hunderttausender Gnu- und Zebrakälber. Kein Zaun trennt diese riesigen Gebiete. Das Ngorongoro Schutzgebiet, die Serengeti und die Maasai Mara in Kenia bilden ein riesiges wildes und weites Land, wo die Tiere ohne Grenzen ihren natürlichen Pfaden folgen können. Diese Größe der Fläche begreift man erst wirklich, wenn man hier ist.
Am späten Nachmittag kamen wir hier also an und hatten gleich ein bedeutsames Erlebnis. Ein Leopard mit seiner Beute auf einem Baum. Fängt gut an für den Fotografen, guter Fang für den Leoparden. Teamarbeit eben.
Und noch bevor wir unsere außergewöhnliche Lodge erreicht hatten, noch einmal ein Hight-Five-Erlebnis: eine müde, gerade zur Jagd erwachende Löwin auf einem Baum. Die Serengeti mag uns. Vielleicht spürt sie ja, dass wir Afrika lieben.
Unsere Lodge lag außergewöhnlich hoch auf einem Berg mit einem unglaublichen Blick in die weite Savanne. Bis zum Horizont Savanne. Und dieser Blick wurde abgelöst von der hereinbrechenden Dämmerung, die immer wieder so schön in Afrika zu beobachten ist.
„Gehen Sie vom Abendbrot nicht alleine zu Ihrem Zelt, Sie sind in der Wildnis!“ – Ja ja, klar. Alles gefährlich hier. Hier, wo so viele Menschen sind, ja ja. Aber wir ließen uns von einem Masai zum Zelt bringen und hörten ganz in der Nähe – einen Löwen brüllen. Ok, kann ja weit entfernt sein, dachte ich, denn Löwen hört man auch schon mal ein paar Kilometer weit in ihrem Brüllen. Aber morgens, in die Weite blickend, sahen wir ein Löwen-Paar, ziemlich dicht….
Nach dem Frühstück, neue Spurensuche, neue Safari oder neudeutsch – neuer Game-Drive.
Der frühe Vogel fängt den Wurm. Also fuhren wir sehr früh raus. Andere hatten die gleiche Idee, nur Yassin fuhr wieder nicht dahin, wohin die anderen Autos abbogen. Lange Zeit sahen wir nur Savanne und mir kam der Gedanke auf, wäre man doch lieber … hätte man vielleicht doch …. Völlig falsche Denke, von der man sich echt lösen muss. Der Weg ist das Ziel, die Ankunft nur ein neuer Start. Und dann begann der Weg sich für unseren Geist öffnen zu wollen. Völlig unerwartet sahen wir ein soeben geborenes Thomson-Gazellen-Baby, die Mutter erhob sich gerade, weil wir kamen und entfernte sich 3-4m und das Kleine versuchte nass und unbeholfen auf die Beine zu kommen. Völlig überwältigt nahmen wir drei das im Auto wahr und die Bedeutung so einem Ereignis beiwohnen zu können, brauchte einige Augenblicke, bis es im Kopf verarbeitet wurde. Unser Lächeln danach verließ uns den ganzen Tag nicht mehr.
Und dann ging es Schlag auf Schlag weiter mit Artenvielfalt pur.
In Namibia und Uganda bekamen wir schon Löwen zu sehen. Nicht viele, die meisten mit Halsband. Hier hatten wir ja auch schon einen staatlichen Löwen-Mann in unserer Nähe gehabt, dank Yassin. Aber was nun kam, war unglaublich. Bis ans Ende der Reise sahen wir Löwen über Löwen. Und alle so faszinierend in ihrem Gesicht und ihrer Anmut. Die unten abgebildeten sind zwei Pärchen übrigens, also 4 verschiedene Vertreter ihrer Art. Und wir waren nah dran, verdammt nah mit unserem ebenfalls oben geöffnetem Land Rover.
Mit leuchtenden Augen ließen wir die beiden Pärchen alleine, die hatten wohl was vor und wer will schon immer eine fremde Kamera dabei haben. So jedenfalls ihr uns entgegengebrachter Habitus. Also pirschten wir uns weiter durch die Serengeti und kamen zu … Löwen. Diesmal 3 Junggesellen, unter einem Baum liegend in der Nähe eines Wasserloches. Dies hatten sie stets im Blick, es war ihr Wasserloch. Kleintiere störten sie nicht, aber wehe, eine Ansammlung an Gnus näherte sich. Gnus hätten viel trinken wollen können und dann hätte ggf. das Wasser knapp werden können. Genial, wie auch Löwen den Konjunktiv nutzen. Kam also eine Gruppe Gnus, musste der Jüngste der Junggesellen auf Anweisung des Ältesten der Junggesellen los, das Wasserloch Gnu frei halten. Naturbeobachtung lehrt einen so viel 🙂
Impalas, Sprungböcke, Antilopen – hatte ich schon gesagt, dass das hier alles sehr artenreich ist?
Früh verließen wir die Lodge und machten uns auf den Weg, erst zum Flugplatz zum besagten Ersatzteil. Btw. – es gibt zwei kleine Flugplätze dort in der Savanne. Am Vortag warteten wir am anderen Flughafen auf das Teil. Aber der Pilot sagte dann: „Upps, ich hab es schon auf dem anderen Flughafen rausgeschmissen – sorry“. 🙂
Leider sahen wir auf dem Weg dorthin, neben den vielen morgendlichen Tieren auf Futtersuche, einen umgestürzten Jeep, der am Vorabend 4 Leute zu unserer Lodge bringen sollte, aber verunfallt war. Wenn es spät wird, die Dunkelheit urplötzlich hereinbricht, es keine Straßen, nur holprige, mit Hindernissen versehene Pisten gibt, Tiere jagen und gejagt werden, der Fahrer vielleicht unerfahren ist (was nach der Pandemie häufig der Fall war), passiert das. Leider kam eine Frau, neben dem Fahrer sitzend, ums Leben dabei.
Es ging nun in den nord-östlichen Teil der Serengeti und wir beobachteten wieder die Vielfalt. Beobachten heißt sich Zeit nehmen, warten. Das hier ist kein Zoo, wo man von Gehege zu Gehege rennt und alles auf Knopfdruck hat. „Ihr habt Uhren, aber wir haben Zeit.“ Genau das macht Afrika aus. Und man lernt es, zu genießen, wenn man sich Zeit nimmt.
Wir fuhren in den NP ein und so nahe an der kenianischen Grenze, musste wir hier sogar Fingerabdrücke abgeben. Ich glaube, nun hat echt die ganze Welt meine Fingerabdrücke. Ich sollte wohl ein besserer Mensch werden.
Hier am Ort treffen die Tiermigrationen auf Flüsse, sie sie überqueren müssen, in denen schon die Jäger lauern – riesige Krokodile. Sie warten behäbig auf die Trosse der Gnus und Zebras und hoffen auf Beute.
Das ist der Grund, warum die Gnus und Zebras so große Gruppen bilden und warum sie am Flussufer so ungeheuerlich vorsichtig und scheu sind, bis irgendwann eine Strategie á la Lemminge eintritt und fast panikartig die Massen durch das Wasser stürmen.
Zebras übrigens sind eh sehr vorsichtig. Ist das Gelände nicht gut einsehbar, z.B. durch hohes Steppengras, stehen sie immer über kreuz, so dass sie alle Richtungen im Auge haben, um auf anschleichende Gefahren schnell reagieren zu können. Dieses Verhalten nutzten wir aus, wenn man mal … musste. Aussteigen heißt leichte Beute sein. Sind aber die Zebras entspannt, ist das alles kein Ding und man kann raus. Bleiben nur Schlangen …. Ach ja, bei Zebra-Kindern sind die Strafen noch braun. Wusste ich vorher echt nicht.
Im Sommer, wenn das Futter in der Savanne rar wird und sie austrocknet, fängt die große Tiermigration an. Die Herden laufen der Nahrung hinterher, immer in Uhrzeigerrichtung.
Zu Beginn sammeln sich die einzelnen Herden zu großen Trossen. Wir mussten diese Herden oft passieren lassen, bevor wir irgendwo im Nichts unser Safari-Zelt bezogen und vorzüglich beköstigt wurden. Aber auch hier verändert der Klimawandel einiges. Die Regenzeiten verschieben sich. Deshalb gibt es aktuelle Online-Tracker, die aktuelle Standorte der Herden registrieren.
Luxus, purer Luxus. Weit weg von jeder Zivilisation hast du heißes Wasser, Strom, tolles Essen. Solarenergie ist ein Segen für Afrika. Und hier war er es für uns. Duschen mit warmen Wasser? Kein Problem, in 10 Minuten kommt ein 10 Liter warmer Wasserbottich, der außen hochgezogen wird – erledigt. Handy laden? No Prob. Und so brach die Dunkelheit herein und wir saßen beim köstlichen Abendbrot und schauten dem Gewitter zu. Gewitter in der Savanne. Stockschwarz, Regen, grelle Blitze und deine Augen leuchten und du denkst einfach nur – wow. Ich bin hier. Wo wollte bzw. sollte ich auch sonst sein.
Das abendliche Gespräch mit Yassin verlief fast immer gleich, also in einem Punkt. Wann gehts morgen früh los? Wir so: Gegen 9 Uhr? Kurzes Lachen, schnippisches Zwinkern mit den Augen – 5:30 Uhr Abfahrt. Das wars. Wie bei den Borg: Widerstand ist zwecklos. Aber wir wollten es ja so, weil wir erleben wollten. Der frühe Vogel und so …. Oder auch: der frühe Wurm … wird gefressen ….
Yassin wusste wieder alles. Wann und wo und wie geduldig man sein musste. Tiere haben einen Instinkt vor Gefahr. Die lauert besonders im Wasser. Aber an den Ufern, die komischen,Dinger, eckig und aus Metall, schräge Typen drin – sind die zu nah am Ufer, stehen die Zebras quer. Aber wir hatten Yassin und positionierten uns.
Ängstlich laufen die Gnus und Zebras an den Steilhängen des Flusses entlang. Ausschau haltend nach einer Furt und Krokodilen. Dann bleiben sie stehen, zögern. Die vorderen trauen sich nicht, aber die Massen drängen von hinten. Ein Mutiger findet sich immer. Einer geht vor, einer muss der Anführer sein. Schritt für Schritt, langsam, aufmerksam das Wasser beobachtend, geht er Richtung Flussmitte. Einige kommen nach, mehr kommen nach und urplötzlich bricht es los. Unaufhaltsam beginnt der Tross, wie in Panik, zu rennen. Alles stürmt den Abhang hinunter in den Fluss. Niemand kann diesen Strom, diese Massen mehr aufhalten. Und so entstehen diese Bilder.
Läuft immer alles glimpflich ab für die Gnus und Zebras? Mitnichten. Das Leben ist hier das wirkliche Leben. Kein Anwalt, um zu drohen, kein TÜV auf den man sich berufen kann, keine Helikopter-Eltern, die ihre Kinder sorgfältig aufs nicht-selbständig-Leben-können unter ihre Fittiche nehmen. Leben heißt hier überleben und nicht jeder wird es. Aber es zählt die Gruppe, der Zusammenhalt der Gemeinschaft, die die Lebenschancen weit erhöhen.
Drei Flussüberquerungen haben wir beobachtet. Und bei einer sahen wir, wie auch Krokodile zu überleben versuchen. Jede Art versucht zu überleben um seinen Nachkommen das auch zu ermöglichen. Auf den folgenden Bildern sichtbar. Aber für alle Gnu-Mitfühlenden: Das Gnu hat überlebt, die beiden Krokodile gingen leer aus. Unterschätzt haben sie u.a. die Kraft, die aufgebracht wird, wenn jemand zu überleben versucht. Und wie groß und schwer die Krokodile sind, kann man an den Bildern abschätzen. Ebenso also auch die Kraftaufbringung des Gnus.
Ach ja, das Gnu war „der Mutige“, die anderen stoben erschrocken nach oben, blieben stehen und beobachteten, wie es ausgeht. Freunde sind echt wertvoll. 🙂
Ab Mittag wurden es mehr und mehr Safari-Jeeps und wir zogen es vor, uns dieser Art des Trosses nicht anzuschließen. Zumal die Jeeps natürlich per Funk durchgaben, wo wann was stattfinden könnte und dann alles dorthin stürmte. Nach Corona versuchen die jungen Fahrer ihren Touristen schnell und alles zu bieten. Eigentlich darf man die Wege nicht verlassen. Was aber getan wurde. Ranger passen da sehr genau auf (die hören ja die Frequenzen mit) und verteilen … Knöllchen. Teure Knöllchen. Spitzbübisch lachte Yassin, deutete auf das andere Flussufer mit den Knöllchen empfangenden Autos und sagte: Deshalb sind wir auf der anderen Seite. Und hier hatten wir eine sehr enge Begegnung mit einer Herde Elefanten. Mütter und ihre Jungen. Eng? Nah? Ja, das Auto berührend.
Nach einer dann zweiten Gewitternacht – unglaublich faszinierend – und nächtlichen Geräuschen von Hyänen vor dem Zelt (ich gehe ja immer davon aus, dass so eine Zeltleinwand echt viel aushält), beendeten wir die Serengeti und machten uns auf den Weg zum Lake Natron.
Unterwegs … Löwen, ach nö … die sind echt zu weit weg, nö… wozu die Kamera rausholen…. Löwen, tzzz, sieht man ja jeden Tag … 😀
Und Afrika zeigte seine wahren Pisten nach dem Regen. So viel zu Selbstfahrer, die ggf. am Auto sparen und kein zweistufiges Allrad-Differential haben. Und man muss es dann auch können. Wir hatten alles und wir hatten Yassin. Und wir halfen anderen Leuten. Bauarbeitern aus dem Schlammloch, Touristen mit Tipps und Tricks, Liegengebliebenen mit Wasser… Hilfe ist in Afrika eine Selbstverständlichkeit.
Zu den Bildern unten: Regnet es hier in diesem Bereich mit der Vulkanasche, weichen die Pisten auf. Sonst sind sie steinhart und man kommt aus Spurrillen gar nicht wirklich raus. Nun aber versinkt man im Schlamm, der durch die Asche aber auf dem drunterliegenden knochenharten Untergrund nun wie Schmierseife wirkt. BMW-Feeling beim Driften stellte sich ein, zu meiner Freude 🙂
Lake Natron – oh man, was für eine Gegend. Wir kampierten in einer Art Zeltlager, das irgendwie an Militärlager erinnerte. Aber die „Tarnung“ war gegen den Staub. Sagte ich schon mal was zu Staub? Oh, dieser hier ist noch anders. Scharfkantig, klein. Vulkanasche-Staub. Reizt die Nase und durchdringt alles. Zumal das flache Land und der riesige, 57km lange und nur 2m tiefe See den Wind dazu ermutigt, mehr und mehr Staub, genauer Vulkanasche, uns ins Gesicht, die Hosen, die Koffer zu blasen. Mein Freund der Wind mit seinem Kumpel Staub. Eine unbändige Allianz. Aber es hat alles seinen Reiz. Nicht nur in der Nase.
Lake Natron – laugenartig ist das Wasser, nicht nur im Salzsee, wo man zehntausende Flamingos beobachten kann. Nein, auch wenn man Duschen will, ist das Wasser wie eine übersättigte Lauge aus der Waschmaschine. Eigentlich will man nicht duschen. Aber da war ja das Paar Wind und Asche. Also Asche zu Asche, Staub zu Staub, Fröbel zu den Flamingos und unter die Laugendusche.
Der Vulkan dort ist heilig. Er ist der Sitz des Gottes der dort Ansässigen. Tanzania ist übrigens ein Vielvölkerstaat, in dem keine Gruppierung eine anzahlmäßige Überlegenheit hat. Vielleicht ist das der Schlüssel dazu, friedlich, unabhängig der Religion oder des Stammes, leben zu können. Und Tanzania ist somit die älteste Demokratie in Afrika.
Zurück zum Vulkan-Gott. Alle Jubeljahre bricht er aus. Klar, Asche zu Asche. Das tut er regelmäßig. Deshalb so viel Asche. Seinen nächsten Ausbruch plant er somit wohl für das nächste Jahr. 2023 wäre das. 23. Nur so nebenbei für die, die mich kennen. Aber ich war ja 2022 da. Alte Asche reicht mir.
Zu den Bilder noch kurz. Links oben ein normaler Linienbus. Der Staub hält sich 30 Minuten in der Luft. Es fahren immer zwei gleichzeitig los. Nicht, weil es so viele Leute gibt, sondern weil immer einer ausfällt und dann alle umsteigen können. Planung ist alles. So auch bei unserer Begegnung. Einer war defekt, der zweite Bus fuhr mit allen, dichter gedrängt weiter. Der liegengebliebene Bus schickte einen vorbeifahrenden Motorradfahrer ins nächste Dorf, um Bescheid sagen zu lassen und Teile zu ordern. Aber auch der hatte eine Panne und hing im Staub und in der Hitze fest. Nachdem wir Wasser abgaben und ein Versprechen zu helfen, sagten wir im Dorf Bescheid: defekter Bus, defektes Motorrad, gebt es weiter und helft ihnen bitte. So geht das hier. Und sofort war viel Bewegung im Dorf, im ganzen Dorf.
Ach ja, einer alten Frau am Straßenrand kauften wir etwas Handgefertigtes ab. Der Preis, den sie uns sagte, war für uns ok. Zu viel eigentlich. Aber wir hatten einfach gar keine Lust überhaupt Handeln zu wollen. Leben und Leben lassen. Die umgerechnet 10 Euro ließen sie in so eine Freude gleiten, dass sie uns 23x die Hand gab, anfing für uns zu singen und wahrscheinlich ihre Familie eine Woche ernähren konnte. Das sind die Dinge, die im Innersten wirklich berühren, die man nicht vergisst. Weil, das war einfach ehrlich.
Eine Übernachtung reichte uns hier für dieses erspürbare Erlebnis und wir zogen weiter mit Kumpel Staub und auf holprigen Pisten in Richtung des legendären Ngorongoro-Kraters.
Was soll an dem Krater nun so legendär sein?
Seine Ränder sind 600m hoch. Er ist ca. 17 x 19km groß. Und alle dort lebenden Tiere leben in Frieden und Harmonie.
Nein, es ist ein mehr oder weniger abgeschlossener Raum, der sich selbst reguliert, ein Habitat. Der größte Teil der Tiere bleibt dort und wandert nicht über die 600m hohen Wände heraus. Es gibt ca. 1ooo Hyänen und 60 Löwen. Sogar alle Big Five, also Löwe, Elefant, Büffel, Nashorn und Leopard findet man dort. Eigentlich sieht man alle Tiere der Serengeti. Nur eben auf so kleinen Fläche. Das macht Forschung, Beobachtung und auch Tourismus einfach. Bringt aber auch Probleme bezüglich Gen-Pool und … Tourismus.
Meine persönliche Sicht: Der Krater ist unglaublich. Man hat Salz- und Süßwasser, also Flamingos und Krokodile. Man findet Savanne und Regenwald. Diese unglaubliche Artenvielfalt beeindruckt. Man sieht also so vieles und das sehr schnell. Aber diese Art des Tourismus macht es schwierig für mich. Mittags sind etliche hundert Autos in diesem kleinen Naturwunder. Tut das den Tieren gut? Na ja, die haben sich längst daran gewöhnt. Es ist hier eher wie in einem großen Zoo, nur ohne menschliche Fütterung. Obwohl, so wie sich einige Menschen dort verhalten, eine Verfütterung angebracht wäre, zum Wohle des Planeten. Das ist es ja. Die Masse an Touristen, die pro Tag zugelassen werden, empfinde ich als zu viel. Viele Touristen sind nur auf einem Kurztrip mit viel „Action“ im Urlaub. Sie verweilen nur drei bis max. fünf Tage auf dem Festland von Tansania und machen dann eine Woche Strandurlaub auf Sansibar. Sie wollen schnell mal die Vielfalt des afrikanischen „Wildlife“ erleben mit Garantie auf Vollständigkeit. Einen Löwen gesehen – check, einen Elefanten – check, Büffel – check. Da reicht eben der Krater. Aber Afrika ist so viel mehr.
Ich, wir, sind da anders. Falls wir wieder einmal in Tansania sein werden, und dich habe so viele Ideen im Kopf, lassen wir den Krater aus und pirschen mit Augen und Kamera in einer riesigen Fläche nach dem erlebbaren Feeling von Weite und Freiheit.
Und das wars dann. Schluss, Aus, Ende. Intensiv. Sehr intensiv. Und staubig 🙂 – Wir fuhren nach Moshi, der Stadt, die den Besteigern des Killimantscharo als Basislager dient, die sauberste Stadt Tansanias. Das tolle tansanianische Bier wird dort abgefüllt. Ein klitzekleiner Grund, dort noch drei Tage auszuspannen und um nicht sofort in den Flieger zu steigen. Alles musste erst einmal mental sacken. Diese Vielfalt an Erlebten, die Gedanken über das, was man nun mit eigenen Augen gesehen hat, das Glücklichsein, etwas, was einmal ein Wunsch war, ein Traum, umgesetzt zu haben. Das konnte man hier gut. Und nebenbei konnte man wieder etwas Menschen im Alltag beobachten, neben den Kilimandscharo, den höchsten freistehenden Vulkan der Welt und höchsten Berg Afrikas. Ich sammle ja afrikanische Dinge. Das Kap der Guten Hoffnung, die südlichste Spitze Afrikas – Kap Agulhas, nun den Kilimandscharo eben. Ich bin ein Jäger und Sammler. Jäger mit der Kamera und Sammler von Vielfalt.
Und so endet ein erträumtes Abenteuer unter der afrikanischen Sonne und gebärt neue Träume. Vielleicht dann wieder ein Ausbruch (aus dem Alltag), der den Aufbruch (in einem neuen Abschnitt) inne hat.