Vielleicht sollte ich diesen Abschnitt nicht mit Dian Fossey und ihren so beeindruckenden Kampf für die „Gorillas im Nebel“ beginnen. Sondern mit dem bitterbösen Zitat Prof. Grzimeks über die Spezies Mensch: „Diese Mischung aus Raubkatze, Herdentier, Parasit und Virus wurde vielen anderen Arten zum Verhängnis.“ Denn beides geht Hand in Hand.
Warum diese Reise? Ich beschrieb es schon. Es gibt Dinge im Leben, die beeinflussen. Es sind Menschen, Politik, Sachlagen. Es sind Dinge, die in einem Träume wachsen lassen. Etwas zu tun, sich einzusetzen, Menschen zu überzeugen. Es hat etwas mit Emotionalität zu tun, Empathie. Vielleicht auch mit dem Alter, weil man weiß, die Zeit reicht nicht, um die Welt komplett zum Besseren zu bekehren. Ich bin (auch) so. Emotional an Dinge gefesselt, Ungerechtigkeiten hassend. Ich mag Haie und versuche, Menschen von deren Bedeutung zu überzeugen, Ängste zu beseitigen. Rob Steward, beim Dreh zu Sharkwater II tödlich verunglückt, war so jemand, der mich beeinflusste. Paul Watson und Sea Shepherd … ach, viele meine Schüler und Ehemaligen wissen das alles. Und die sanften Riesen, diese Kraftkolosse, die größten Primaten, die die Erde hat – es gibt nur noch 1000 Berg-Gorillas. Eine Spezies, die man eben nicht im Zoo halten kann, genauso wenig wie den Weißen Hai oder Blauwale oder …
Es ist paradox, die Spezies Mensch ist Virus und Heilmittel zugleich. Es kommt nur darauf an, wie die Verhältnismäßigkeit angepasst wird.
Für die Uganda-Reise war das Trekking zu den letzten Berg-Gorillas das eigentliche Ziel. Alles sonst, war Beiwerk. Und ehrlich gesagt: hätte es nicht geklappt, egal, dass die Reise an sich toll war, es wäre ein Desaster emotional gewesen.
War es nicht. – Lets go 🙂
Hier hin solle es gehen, dem Startpunkt des Trekking. Zur Cameleon Hill Lodge im Bwindi Nationalpark. Direkt im Drei-Ländereck Ruanda, Kongo, Uganda. Lustig, vor einem Jahr auf einem Flug nach Ägypten lasen wir im Flieger etwas zu dieser Lodge, die von einer Deutschen geführt wird. Dass wir etwas später da sein würden … kam uns damals gar nicht in den Sinn. So ist das eben.
Die Anreise führte uns wieder über lange staubige Wege. So staubig, dass Fenster schließen nichts half. Afrika ist in erster Linie …. staubig. Aber: Landschaft, Landschaft, Landschaft. Man kann sich nicht satt sehen.
eine Schule
eine Kirche, dazu mehr im letzten Teil
Lake Bunyonyi, mit 900m Tiefe der zweittiefste See Afrikas
Zwischen-Stopp zum … na ja, alles klar, oder? 🙂
Sand-Abbau für den Hausbau
morgens beim Blick aus dem Bungalow – Lake Mutanda mit den Virunga Vulkanen.
Nicht jedermanns Sache. Hier bei der Pause war ausreichend Platz zum Abhang. Bei der Fahrt nur 23 cm manchmal und es ging ohne deutschen TÜV und Leitplanken locker 300m in die Tiefe. Aber warum sollte schon etwas passieren. Es gab ja keine Grund … 🙂
Die Lodge, wundervoll bunt in der Landschaft, in der Nähe eines Ortes. Die Kinder waren sehr aufgeschlossen. Erst wollten sie Money. Ich sagte aber nein. „Dann fotografier uns eben!“ Und sie bekringelten sich anschließend bei der Betrachtung der Fotos. 🙂
Strom gab es von 5-7 Uhr und 18:30 Uhr bis 22:30 Uhr aus dem Diesel-Generator, Internet – jedes Byte einzeln begrüßen … toll einfach. Ehrlich gemeint. Wertschätzung gegenüber dem hiesigen Leben bekommt eine andere Bedeutung, nein, Gewichtung.
Und dann war es soweit. Trekking zu den Berg-Gorillas. Ehrlich gesagt, wir wussten, dass es heftig wird durch den bergigen Urwald zu trekken und haben uns wirklich und bewusst physisch ein halbes Jahr vorbereitet. Letztendlich kam es uns am Schluss anstrengend, aber völlig ok vor. Der Weg war gar nicht so weit, aber es geht schmale, rutschige Pfade steil bergauf und -ab.
Sagte mein iPhone in der Hosentasche. Man beachte die Stockwerke (und mein Alter 🙂 )
8:30 Uhr ging es los, nachdem unser Ranger als Gruppenleiter von 9 Personen per Funk von den „Verfolgern“ erfuhr, wo „unsere“ Gorilla-Familie ist. Das hieß, man hatte sie gefunden und leitete uns zu ihnen. Das Treffen kann sehr verschieden verlaufen. Mal hat man sie in einem offenen Bereich, mal mitten im Dickicht oder … gar nicht. Am Vortag kam eine Gruppe ohne Sichtung zurück in die Lodge. Das muss man wissen, wenn man sich darauf einlässt. Natur ist Natur und wir wollen ja nicht unseren Willen aufzwingen.
Wir – das war eine französische Familse, ein britisches Vater-Tochter Duo und wir, neben dem Guide, zwei AK-47 Bewaffneten und jungen Männern als Träger aus dem Dorf. Die zu „buchen“ ist eine doppelt gute Idee. Mein Fotorucksack wog schon 10 kg, neben den Getränken, Regenjacken, … Ich gab einen Rucksack gerne ab. Wir Städter sind es echt nicht gewohnt, im Dschungel zu agieren. Andererseits – die 10 oder 15 Dollar für den Tag helfen einer ganzen Familie, meist sogar der gesamten Verwandtschaft im Dorf, zeigt, dass Umwelt- und Tierschutz ertragreicher ist, als zu wildern oder sonst was. Und sie freuen sich über Smalltalk, fühlen sich akzeptiert und wichtig, helfen an den Steilhängen, helfen einen wieder hoch … 🙂
Diese Fotos sind mit dem Handy gemacht, die Kameras waren noch im Rucksack. Aber man sieht: Der Startpunkt, das Dorf, liegt oben auf einem Berg. Die Gorillas sind aber oben auf einem anderen Berg. Es geht steil abwärts und dann wieder hoch.
Seht ihr links oben die Baumgruppe. Das ist der Standort des zweiten Bildes und etwa 1/3 auf dem Weg bergab.
Im Regenwald ging teilweise ohne Machete gar nichts. Die drei hier waren die „Folger“, die Gruppe, die die Spuren liest und sogar die Sprache der Gorillas versteht. Wichtig um zu wissen, wie der Silberrücken an dem Tag so drauf ist.
Etwas zur Kalaschnikow AK-47. Alle Ranger, bei den Schimpansen, in der Savanne, auch hier, haben eine AK-47 dabei. Unsere Gruppe hatte einen Bewaffneten vorn, einen hinten. Es ist für viele vielleicht kein gutes Gefühl, bewaffnete Männer um sich zu haben. Dem Einen machen Waffen Angst, dem Anderen suggerieren sie Sicherheit. Kommt ja auch an, wo man sich gerade befindet. Paris, Ku-damm oder Regenwald nahe Kongo…
Die Begründung war, um zum Teil glaube ich das unbedingt: Schutz vor den agressiven Wald-Elefanten, deren frische Spuren wir auch stets sahen. Man muss sich einfach im Klaren sein: Im Kongo gab es Jahrzehnte und gibt es noch immer einen versteckten Bürgerkrieg. Der Kongo ist knappe 10km entfernt. Ruanda und die Massaker, das nachfolgende Hunger-Elend sind erst 20 Jahre her, Idi Amin hinterließ negative Spuren. Immer waren neben den Menschen, Tiere großen Opfern ausgesetzt. Sie wurden gejagt wegen Food, Elfenbein, Fellen – meist mit der AK-47. Jahrzehnt über Jahrzehnt! Das vererbt sich als Erfahrung auch bei den Tieren. Wald-Elefanten sind nur aus diesem Grund so agressiv. Der Klang einer Kalaschnikow allerding lässt sie flüchten. Soweit, so schlecht.
Aber warum hatten in Entebbe in unserer Lodge auch Leute eine AK-47? Es muss also neben den touristischen Begründungen auch mehr geben. Und man sollte sich nicht täuschen lassen, eine Rangerin, die die Kalaschnikow nur als „Schreckschusswaffe“ benutzen soll? Zumal nur 3 Wochen vor unserer Reise, allerdings auf kongolesischer Seite, Briten nach dem Trekking entführt und die Rangerin erschossen wurde. Ich denke, fast jeder in Afrika ist paramilitärisch gut gerüstet. Und so wie ich selbst noch immer mit verbundenen Augen eine Kalaschnikow zusammensetzen kann – die können dort alle garantiert mit ihr umgehen.
Aber – genug der Rede, mir machen Waffen nichts aus, wir wussten, worauf wir uns einlassen und die Gorillas standen jetzt auf dem Plan.
Um es gleich zu sagen, alles verlief … suboptimal. Ich werde es real beschreiben, ohne zu dramatisieren, ohne herunterzuspielen. Nach ca. 1 1/2 h Trekking kamen wir an einer Tee-Plantage an, deren frische Blätter gern gesehene Nahrung der Berg-Gorillas sind. Hier, so sagte der Ranger, warten wir auf sie, sie kämen in 30-45 min vom Hang hierher. Der Franzose (Profi-Fotograf mit 2 D5, dem 200-400 f4 …, sagte später: „Der Plan ist ja nicht schlecht, an sich.“ Und ich erwiderte: „nur klappen muss er.“ Denn die Gorillas hatten an diesem Donnerstag wohl nichts mit Tee im Sinn oder wussten, ich bin Kaffee-Trinker. Nun kam der Guide auf die verheerende Idee, die Gorillas zu uns „bringen“ zu wollen. Er schickte Leute auf den Berg. In seiner Sprache, nicht verständlich für uns. Wir warteten. Insgesamt zum Schluss fast 3 Stunden. Aber was wir dann nach und nach mitbekamen heißt übersetzt, die Gorillas würden zu uns gejagt werden. Da platzte uns, auch nach dem langen Warten, der Kragen und wir fragten, warum wir nicht wie seine Leute und wie so auch im Prospekt ausgeschrieben, zu ihnen auf den Berg gehen, als Gast und nicht in einer Plantage warten die Zeit verrinnen lassen, um zu hoffen, sie kommen auf die Idee, uns besuchen zu wollen. Geschweige denn, die Gorillas die Erfahrung des wieder gejagt werden, aussetzen zu lassen. Wie auch immer, wir Gäste rebellierten gegen dieses Gebahren. Um fair zu sein: Die Ranger sind einem großen Druck ausgesetzt, Erfolge zu bringen. Dieser Ausflug kostete uns alleine schon knapp 1000€. Die Organisation, die Ranger, der Naturschutzpark, alles lebt nur von diesen Einnahmen. Es sind riesige Gebiete, man kauft Bauern Land ab, beteiligt sie am Gewinn, so dass Naturraum für die Gorillas erhalten bleibt uvm. Und viele „Gäste“ sind nicht immer angenehm. Geld bezahlt, ich will… Man kennt das. Und am Vortag gab es eben eine Gruppe ohne Erlebnis… Aber trotzdem ist das nicht zu tolerieren und die französische Familie und wir haben die Organisation vor Ort darüber informiert, dass das so nicht geht. Vielen Nachfragen glaubend, denken wir aber auch, dass es eine krasse Ausnahme war.
Jedenfalls wollte wir es so nicht und zum Glück kamen die „Folger“ zu uns, die wusste, wohin die Gorilla-Familie nun war, wirklich geflohen war. Nach einer weiteren Stunde Trekking, mit den Trekking-Schuhen durch Schlamm, durch einen Fluss, durch Gestrüpp und Dornen, fanden wir sie. Versteckt tief im Dickicht und zum Anfang sehr nervös und etwas aggressiv, versuchte der Silberrücken seinen Unmut mit einem kleinen Stumangriff auf uns auszudrücken. Dann lies er uns aber gewähren, dank einiger Laute in der Gorilla-Sprache der „Folger“. Liebe Kinder: Fremdsprachen sind wichtig!! 🙂
Wir hatten dann, wie schon bei den Schimpansen, genau eine Stunde Zeit uns ihnen vorsichtig zu nähern, zu fotografieren und dann einfach das Gefühl einzufangen. Wir waren da. Wir sind bei ihnen. Sie lassen es gewähren. Drei der letzten 1000 Berg-Gorillas lassen uns als Gäste zu.
Für die Fotografen: Fotografieren = malen mit Licht. LICHT. Denkste, Regenwald und Dickicht. Ich hatte das 70-200 f2,8 an der Crop-Kamera und benötigte ISO 6400, bei f4 und 1/250. Fokussieren nur manuell, denn viel zu viele sich bewegende Blätter vor dem Gesicht und tausende Moskitos.
Der Franzose lies es ganz. „Das gibt keine Bilder“, er genießt jetzt einfach. Es war auch seine 22. Tour zu den Gorillas und er habe schon „richtige“ Aufnahmen. „Geh du mal nach vorne…“ Das Leben kann so deprimierend sein… 🙂 Nein, Scherz. Ich bin ihm dankbar und war eh tief bewegt in dem Augenblick vor dem Silberrücken, seinem einen Weibchen (ein weiteres war irgendwo weit hinten im Dickicht) und dem 7 Monate alten Kleinen…
das Dunkle da … das ist er, so der erste Eindruck, bevor wir ganz langsam versuchten das Dickicht per Machete zu entfernen
vorn der Ranger umd den Silberrücken zu beruhigen
das ist er …
und sie …
und es …
Ja , ich verstehe Dian Fossey vollkommen….
Auf dem Rückweg kamen wir in ein Berggewitter. Aber sowas ignoriert man einfach. Es ging stundenlang nur bergauf. Was ist da ein Gewitter, Regen und matschige Pfade. Es ging bergauf und mit der Kondition bergab… NEIN. Die jungen Männer fragten uns: „Gehts noch?“ und wir: „Yes, we can!“ Ohne Pause in einem Zug wieder ins Dorf nach oben. Eintreffen war 18 Uhr. Ein langer Tag.
Btw: Die Gruppe teilte sich auf dem Rückweg. Wir die „Schnell-Läufer“ mit einem Bewaffneten und Augustin, unserem Träger, vorn weg. In der Mitte des Bildes, wo die weiße Stelle ist … wenn ihr reinzoomt … das ist die zweite Teilgruppe. Nur wegen der Höhenunterschiede. Aber die 258 Stockwerke müssen ja irgendwoher kommen 🙂
Der nächste Tag befasste sich mit Schuhe säubern, waschen und trocknen, Bilder aus der Kamera sichern, vor den Anderen mit den gesehen Gorillas angeben und … ehrlich gesagt, auf der Terrasse sitzend, über den See zu schauen und sich klarzuwerden, was für ein unendliches Glück man erfahren durfte.
Sorry, langer Bericht. Der letzte Teil mit der Reise nach Entebbe wird sich mit Land und Leuten befassen und euch so einiges Neues vielleicht erzählen können.