Erinnerungen an Ken und Kevin – Südafrika 1994
Warum ich diesen Artikel schreibe
Ich arbeite an mir selbst Gesehenes und Erlebtes ab. Es arbeitet in mir weiter und weiter. Und ich bin mir nicht sicher, wann und ob ich überhaupt bestimmte Prozesse abschließen kann. Politische Erfahrungen, gepaart mit der Liebe zur (dokumentarischen) Fotografie, zum Journalismus und zur Geschichte bilden hier eine Mischung, die es in mir seit Jahrzehnten gären lässt. Ich bin der festen Überzeugung, dass Demokratie für jeden persönlich die bedeutendste Gesellschaftsform ist und ich denke, dass der Journalismus, besonders der fotografische, dazu beitragen muss, mit Wert neutralen Informationen, Menschen aufzuklären. Die Wege zur Demokratie sind so blutverschmiert und gespickt von brutaler Gewalt und menschenverachtenden Handlungen. Ich erlebte eine friedvolle Revolution von einer Diktatur und die Demokratie. Zeitgleich brach Gewalt in Rumänien aus, begann der „Hidden War“ in Südafrika, es passierte der Genozid in Ruanda und Jugoslawien zerfiel in einem entarteten Bruderkrieg mit Massenmorden, Vergewaltigungen, Vertreibungen.
Gerade in diesen Konfliktsituationen ist die Darstellung von dem was passierte der wichtigste Zeuge, Fotografien sind Zeitzeugen. Fotografen und Fotografinnen wie Lee Miller, Robert Capa, James Nachtwey, Chris Hondros, Sebastião Salgado, Nicole Tang, Lynsey Addario … und eben die unten beschriebenen vier haben mich extrem beeinflusst in politischen wie fotografischen Sichtweisen. Nach wie vor sehe ich jauch heute jeden aufkommenden Konflikt weltweit mit ihren Augen und Sichtweisen.
Ich kann nicht anders.
Hintergrundwissen
Die frühen 1990er Jahre waren in Südafrika eine turbulente Zeit, die vielleicht am besten durch die Gruppe furchtloser Fotografen namens „Bang Bang Club“ dokumentiert wird.
Nur zwei aus dem Team, Greg Marinovich und Joao Silva, haben diese Ära lebend überstanden.
Der Konflikt in Südafrika 1990-1994
Südafrika hat eine lange und schmerzhafte Entwicklung erfahren müssen. Die Apartheid hat tiefe Spuren hinterlassen, der Kampf um Gerechtigkeit und Gleichberechtigung ist noch immer im Gange. Politische Intrigen durchziehen die Geschichte bis heute. Der Kampf der geführt wurde war brutal und blutig. Viele kennen nur den Sieg des ANC unter Mandela als historischen Kontext.
Wenige wissen, dass zwischen 1990 und 1994 aber ein Bürgerkrieg zwischen IFP (Inkatha Freedom Party) und ANC (African National Congress) und damit zwischen Zulu und Xhosa herrschte, den die Apartheid brutal anstachelte und für sich ausnutzte.
In diesem Artikel geht es genau um diese Zeit und dem sogenannte „Bang Bang Club“, der aus 4 südafrikanischen Fotografen bestand, die diesen Bürgerkrieg dokumentierten.
Es geht um Ken Oosterbroek, Kevin Carter, Greg Marinovich und João Silver und es geht um die Wahrheit im Journalismus und die Bedeutung der Fotografie in ihr.
Um den Bürgerkrieg und dessen Konfliktparteien näher zu beleuchten, stelle ich kurz die involvierten ethnischen Gruppen und deren politische Organisation vor.
Hauptkonfliktparteien – die ethnischen Gruppen Zulu und Xhosa
Mangosuthu Gatsha Buthelezi (* 27. August 1928 in Mahlabatini, heute in KwaZulu-Natal; † 9. September 2023) war ein südafrikanischer Politiker. Er war von 1975 bis 2019 Vorsitzender der Zulu-Partei Inkatha Freedom Party (IFP), die er gegründet hatte, und von 1994 bis 2004 südafrikanischer Innenminister.
Nelson Mandela (* 18. Juli 1918 in Mvezo, Transkei, Südafrika; eigentlich Rolihlahla Dalibhunga Mandela), in Südafrika auch Madiba genannt (traditioneller Clanname), war einer der führenden Anti-Apartheid-Kämpfer Südafrikas, engagierte er sich seit 1944 im African National Congress (ANC) und der erste schwarze Präsident des Landes (9. Mai 1994 – Juni 1999). Er gilt neben Martin Luther King und Malcolm X als wichtigster Vertreter im Kampf gegen die weltweite Unterdrückung der Schwarzen sowie als Wegbereiter des versöhnlichen Übergangs von der Apartheid zu einem gleichheitsorientierten, demokratischen Südafrika.
Er war Xhosa, studierte Jura an der Witwatersrand-Universität, war Rechtsanwalt und verbrachte 27 Jahre als politischer Gefangener in Haft.Mandela starb am † 05.12.2013.
ANC und Inkartha Anfang der 90er
In den frühen 1990er Jahren spielten der African National Congress (ANC) und die Inkatha Freedom Party (IFP) eine bedeutende Rolle in Südafrikas politischer Landschaft. Der ANC, unter der Führung von Nelson Mandela, vertrat die Interessen der schwarzen Bevölkerungsmehrheit und kämpfte entschieden gegen die Apartheid. Die politische Plattform des ANC strebte nach einer demokratischen, nicht-rassischen Gesellschaft und befürwortete sozialistische Ideen.
Die IFP, geleitet von Mangosuthu Buthelezi, repräsentierte größtenteils die Zulu-Bevölkerung und stand einer direkten Kontrolle durch Pretoria nahe. Die Partei war zunächst gegen die Abschaffung der Apartheid und befürwortete stattdessen föderale Lösungen, um die Zulu-Kultur und -Identität zu bewahren.
Die Xhosa-Bevölkerung, zu der Nelson Mandela gehörte, unterstützte hauptsächlich den ANC und dessen Kampf gegen die Apartheid. Die Zulu, die hauptsächlich von der IFP vertreten wurden, neigten dazu, die Apartheidpolitik zu unterstützen, um ihre kulturelle und politische Autonomie behalten zu können.
Intrigen der Apartheid-Regierung als Zündstoff
Die Apartheid spielte eine zentrale Rolle in der Spaltung zwischen ANC und IFP, da sie die Rassentrennung und die damit verbundenen sozialen Ungerechtigkeiten institutionalisierte. Diese Spaltung führte zu gewalttätigen Konflikten zwischen den Anhängern beider Parteien, insbesondere in den Townships und ländlichen Gebieten Südafrikas.
Die Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern des ANC und der IFP waren in den 1990er Jahren äußerst brutal und kosteten tausenden Menschen das Leben. Diese Konflikte umfassten sowohl politische als auch ethnische Spannungen und fanden vor allem in den Vorstädten und ländlichen Bereichen statt.
Es gab Berichte über gezielte Angriffe, Morde, Massaker und Gewalttaten gegen Zivilpersonen aufgrund ihrer politischen oder ethnischen Zugehörigkeit. Bewaffnete Konfrontationen, darunter auch Scharmützel zwischen bewaffneten Milizen, führten zu einem Blutvergießen und einer Atmosphäre der Angst und Unsicherheit in vielen Gemeinden. Strippenzieher im Hintergrund waren immer wieder die Apartheid-Regierung, die stets zündelte, indem sie die Gewalt durch eine Kombination aus politischen Spannungen, territorialen Konflikten und historischen Feindseligkeiten zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen, insbesondere den Zulu und den Xhosa, befeuerte.
So waren die Auseinandersetzungen geprägt von Rivalitäten um Macht, Ressourcen und Kontrolle über bestimmte Gebiete. Trotz Bemühungen um Friedensverhandlungen und Vermittlung blieben die Spannungen lange Zeit bestehen und hinterließen tiefe Wunden in der südafrikanischen Gesellschaft.
ANC und Inkartha heute
Die Unterschiede zwischen dem ANC und der IFP haben sich seit den 1990er Jahren weiterentwickelt, aber auch einige Veränderungen erfahren. Während der ANC weiterhin die dominante politische Kraft in Südafrika ist und sich zu einer breiten, regierenden Partei entwickelt hat, hat die IFP an Einfluss verloren und ist zu einer kleineren Oppositionspartei geworden.
Die politische Landschaft Südafrikas hat sich seit der Abschaffung der Apartheid stark verändert. Neue Parteien sind entstanden und haben sich etabliert, während andere an Bedeutung verloren haben. Die ANC dominiert weiterhin die politische Szene, aber es gibt eine Vielzahl anderer Parteien, die sich um die Stimmen der Wähler bemühen.
Die Bedeutung der Medien in diesem Konflikt
Der Apartheid kam der Konflikt gerade gerecht. Weltweit war sie seit Jahrzehnten in Verruf und darum bemüht, sich als unabdingbar darzustellen. Die Regierung heizte im Hintergrund den Konflikt weiter an um aufzeigen zu wollen, dass „die Schwarzen sich nicht selbst regieren können“. Sie war daran interessiert, dass bestimmte brutale Zwischenfälle in die Medien kamen, um zu „beweisen“, dass nur sie für Recht und Ordnung sorgen könnten und versuchten dabei durch Zensur ihre Intrige und Rolle geheim zu halten. Es war schwierig für schwarze Journalisten nah an den Konflikten zu sein und zu dokumentieren, weil sie sehr schnell pauschal als Vertreter der anderen Ethnie zugeordnet und selbst getötet werden konnte. Aber es gab sie – z.B.:
- Santu Mofokeng: Ein südafrikanischer Fotograf, der für seine eindringlichen Schwarz-Weiß-Fotografien bekannt ist. Mofokeng dokumentierte das Leben der schwarzen Gemeinschaften in Südafrika, einschließlich ihrer Erfahrungen während der Apartheid und der politischen Umwälzungen der 1990er Jahre.
- Peter Magubane: Ein preisgekrönter südafrikanischer Fotojournalist, der die Apartheid und den Kampf gegen sie aus erster Hand dokumentierte. Magubane war einer der führenden Fotografen, der die Ereignisse während des Aufstands in Soweto 1976 festhielt, und setzte seine Arbeit auch während der 1990er Jahre fort.
Ironischer Weise betraf es weniger die weißen Journalisten. Einige von ihnen wuchsen über sich hinaus, fingen und ordneten das Geschehen so ein, so wie es (brutal) war. Vier dieser Fotografen schlossen sich zu einer Gemeinschaft zusammen, was für sie in diesen Konfliktzonen mehr Sicherheit bedeutete. Sie waren zeit- und sehr nah an dem Geschehen. Sie wurden und waren Kollegen, Freunde aber auch fotografische Konkurrenten.
Etwas, was sie in dieser Zeit wirklich umzusetzen vermochten war genau das, was Robert Capa einmal zusammenfasste: „Wenn deine Bilder nicht gut genug sind, dann bist du nicht nah genug dran.“
Die Protagonisten
Der „Bang Bang Club“
Es waren vier furchtlose junge Fotografen, die sich auf den Weg machten, die Realität der Apartheid in Südafrika aufzudecken – ein Kampf, der eine Nation veränderte, sie aber am Ende fast zerstörte.
Andere Journalisten schrieben einen Artikel über sie, die jeden Tag ihr Leben riskierten, um die Wahrheit einzufangen, als fotografische Zeugen zu agieren. Bang. Bang. Bang. Das verbale Synonym für einen Schusswechsel. Und diese Fotografen waren nah an jedem Schusswechsel. Daher stammt der Name des „Club“, als Schicksalsgemeinschaft nah am Schusswechsel .
Zitat über den Bang Bang Club
„Diese Männer waren nicht nur Augenzeugen der Apartheid, sondern auch Adrenalinjunkies, die sich selbst in Gefahr brachten. Während die Kugeln um sie herum flogen, schossen sie Bilder, die wie Atomsprengköpfe in der Weltpresse explodierten.“ (Vielfalt)
Dies ist die Geschichte eines beispiellosen Erfolgs und einer Tragödie. Es ist auch die Geschichte einer großen Freundschaft im Kampf für die Freiheit in Südafrika. Mit Anfang Zwanzig reisten Ken Oosterbroek, Joao Silva, Kevin Carter und Greg Marinovich in die schwarzen Townships, um die dortige Gewalt zu dokumentieren, was kein anderer weißer Fotograf je gewagt hatte. Ihre Bilder gingen um die Welt und erschienen auf den Titelseiten der New York Times, der Washington Post und des Time Magazine. „Ihre Fotos beschleunigten sicherlich die Veränderungen in diesem Land, das Ende der Apartheid. Die Bilder zeigten der ganzen Welt, was hier geschah, und erhöhten den Druck auf das Regime“, erzählt Peter Sullivan, damals Chefredakteur von The Star in Johannesburg.
„Ich habe ihnen jeden Tag gesagt: Kein Bild ist wichtig genug oder lohnt sich, dafür getötet zu werden. Aber sie haben mich ausgelacht. Ich konnte sie nicht aufhalten. Jeden Tag lebten sie in Gefahr. Sie waren wie wilde Pferde“, sagt Sullivan. Die vier Fotografen erhielten von einer Zeitschrift den Spitznamen „Bang Bang Club“ und wurden zur Legende. 1991 gewann Greg Marinovich den Pulitzer-Preis, den Oscar der Fotografie, für seine Fotoserie eines verbrannten Mannes. 1994 gewann Kevin Carter den gleichen Preis für sein umstrittenes Bild eines hungernden Kindes und eines Geiers, das er während einer Reise in den Sudan schoss. Joao Silva erklärte: „Es war das Foto von Kevins Leben, der Traum eines jeden Fotografen. Und doch hat es ihn gleichzeitig zerstört.“ Am Ende zahlten die Freunde einen hohen Preis; nur zwei von ihnen überlebten. Dies ist die Geschichte des Bang Bang Clubs.
(Quelle: https://www.globalscreen.de/mm/en/content/65065)
Dokumentationen über die vier
Es gibt einen Film über sie, einen Spielfilm, der diese brutale Zeit und gefährliche Arbeit darstellt. Er ist wirklich zu empfehlen, aber nicht leicht in den Bildern zu ertragen.
Und ein sehr spannendes Buch, das genauso heißt – verfasst von Marinovich und Silva selbst.
Greg Marinovich
Greg dokumentierte die Gewalt und den Übergang Südafrikas von der Apartheid zur Demokratie wie kaum ein anderer. Er zeichnete sich durch seine eindringliche und persönliche Herangehensweise an die Ereignisse aus und trug dazu bei, die Brutalität und die menschlichen Auswirkungen der Konflikte in Südafrika zu dokumentieren. Für ein herausragendes Foto wurde um der Pulitzer Preis verliehen. Nach der Apartheid arbeitete er in weiteren Konflikzonen und wurde dabei mehrfach angeschossen.
Greg Marinovich ist heute weiterhin als Fotojournalist tätig, allerdings nicht mehr als Kriegsfotograf, und hat sich auf die Dokumentation von Konflikten und sozialen Ungerechtigkeiten spezialisiert. Er arbeitet u.a. als Autor und Dozent und teilt seine Erfahrungen und Erkenntnisse mit anderen Fotografen und Journalisten und lebt mit seiner Familie in Johannesburg.
João Silver
João Silva wurde 1991 Stringer für das Reuters Johannesburg Bureau. 1992 wurde er als festangestellter Fotograf bei The Star eingestellt. Später kam er 1994 als freiberuflicher Fotograf zu Associated Press. 1996 begann er als freiberuflicher Fotograf für die New York Times zu arbeiten und war 1998 zum regelmäßigen freiberuflichen Fotografen der Times im südlichen Afrika geworden. Im Jahr 2000 war er Vertragsfotograf für die Times. João gewann 1992 den South African Press Photographer of the Year Award und wurde 1995 für die World Press Photo Joop Swart Masterclass ausgewählt. Seine Arbeit wurde unter anderem auch bei den World Press Photo und Over Seas Press Club Awards ausgezeichnet.
Silva ist am besten für seine Arbeit als Kriegsfotograf bekannt. Er hat Kriegsgebiete in Bosnien, Afghanistan, Irak und anderen Ländern dokumentiert. Im Jahr 2010 wurde Silva bei einer Landminen-Explosion in Afghanistan schwer verwundet und verlor beide Beine. Nach einer langen Genesungszeit kehrte er jedoch wieder zur Fotografie zurück und dokumentierte unter anderem auch die Ebola-Epidemie in Liberia.
Silvas Arbeit hat zahlreiche Auszeichnungen und Preise erhalten, darunter den Pulitzer-Preis und den Visa d’Or. Seine Werke wurden in vielen internationalen Publikationen, darunter The New York Times und Time Magazine, veröffentlicht. Silva ist ein engagierter Fotograf, der sich für soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte einsetzt und sich für die Belange von Menschen in Konfliktzonen und humanitären Krisen einsetzt.
Er ist nach wie vor ein fester Freund von Greg Mariovich.
Auf Beinprothesen bei Obama I | In Afghanistan verlor er beide Beine |
Heute lebt er mit seiner Familie, Frau und zwei Kinder, in Johannesburg.
Ken Oosterbroek
Ken Oosterbroek war ein Fotojournalist für das südafrikanische Magazin „The Star“. Er erhielt posthum den World Press Photo Award, einen renommierten Preis für Fotojournalismus, für seine Arbeit. Er dokumentierte intensiv die Gewalt und die politischen Umwälzungen in Südafrika während der 1990er Jahre. Ken Oosterbroek trug maßgeblich zur Aufdeckung und Verbreitung von Nachrichten bei, die oft von der Regierung zensiert wurden.
Ken war bekannt für seine ruhige und besonnene Art sowie für sein technisches Geschick als Fotograf. Er galt als einer der erfahrensten und respektiertesten Mitglieder des Clubs. Er bewies in vielen kritischen Situationen, dass er einen kühlen Kopf bewahrten konnte und gleichzeitig mutig war, um genau diese wichtige Momente festzuhalten.
Ken Oosterbroek wurde am 18. April 1994 während seiner Arbeit als Fotojournalist in Tokoza, einem Township südöstlich von Johannesburg, getötet. Er wurde während eines Schusswechsels zwischen der Polizei oder den südafrikanischen Friedenstruppen (SADF, South African Defence Force) und Anhängern des African National Congress (ANC) erschossen. Oosterbroek war vor Ort, um über die politische Gewalt und Unruhen in dem Township zu berichten. Einige Quellen deuten darauf hin, dass Oosterbroek möglicherweise von SADF-Soldaten irrtümlich als Bedrohung wahrgenommen wurde. Andere Berichte legen nahe, dass er möglicherweise von anderen bewaffneten Gruppen getroffen wurde, die in dem Konflikt in Tokoza verwickelt waren. Die genaue Verantwortung für seinen Tod bleibt bis heute unklar – oder wird verschwiegen.
Ken Oosterbroek war verheiratet und hatte zwei Kinder. Seine Frau, Monica, war ebenfalls eine Fotojournalistin.
Kevin Carter
Kevin Carter war ein preisgekrönter südafrikanischer Fotojournalist, der für seine Arbeit in Konfliktgebieten bekannt war. Als Mitglied des „Bang-Bang Club“ fotografierte er einige der brutalsten Momente während der Apartheid, darunter auch die Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern des ANC und der IFP.
Carters Bild eines verhungernden sudanesischen Mädchens brachte ihm den Pulitzer-Preis ein, aber auch Kritik wegen seiner ethischen Entscheidung, dem Kind nicht selbst geholfen zu haben, nachdem er das Foto aufnahm.
Was in den kritischen Diskussionen aber oft nie angesprochen wurde ist, dass man Kevin instruierte, als Fotograf wegen ansteckender Krankheiten, dort keine Menschen zu berühren und dass sich diese Situation nur wenige Meter neben einer Hilfsstelle zutrug und dortige Mitarbeiter sich kümmerten. In den Mittelpunkt gestellt wurde und an Kevin abgearbeitet, welche Aufgaben und Tätigkeiten ein Fotograf in Krisengebieten zu bewerkstelligen hätte. Diese Kritik an ihm und seinem Bild (btw: dass dann weltweit zu einer der größten Spendenaktionen führte), machte ihm sehr zu schaffen. Kevin versank in Depressionen und in emotionalen Stress, was aus seiner Arbeit als Kriegsfotograf herrührte.
Suizid und Abschiedbrief
Als dann sein bester Freund, Ken Oosterbroek bei einem Fotoeinsatz getötet wurde, zerbrach eine Welt für ihn und letztendlich er an ihr. Er war der festen Überzeugung, dass er an diesem Tag hätte vor Ort sein müssen und dass er hätte getroffen werden sollen.
Die Hinterfragung seiner Arbeit und die offenbare Sinnlosigkeit des Todes von Ken Oosterbroek führten dazu, dass Kevin Carter wenige Wochen später, am 17. Juli 1994 Suizid durch eine Kohlenmonoxidvergiftung in seinem Auto nahe Johannesburg beging.
Kevin Carter hinterließ einen Abschiedsbrief, der an seine Tochter gerichtet war. In dem Brief drückte er seine Liebe zu ihr aus und entschuldigte sich dafür, dass er nicht der Vater sein konnte, den sie verdient hatte. Er erklärte auch, dass er das Leben nicht mehr ertragen könne und dass er hoffe, dass seine Tochter sein Leiden verstehen würde. Seine innere Verzweiflung und Zerrissenheit werden sehr deutlich offengelegt.
„Es tut mir sehr, sehr leid, … Der Schmerz des Lebens übersteigt die Freude in einem Maße, dass keine Freude mehr existiert. … [Bin] deprimiert … ohne Telefon … Geld für Miete … Geld für Unterhaltszahlungen … Geld für Schulden … Geld!!! … Mir gehen die lebhaften Erinnerungen nach, an Morde und Leichen und Wut und Schmerz, … an verhungernde und verwundete Kinder, an schießwütige Irre – oft Polizisten –, an Exekutierer von Killern … Ich bin gegangen, um — wenn ich Glück habe — bei Ken zu sein.“
Was bleibt?
Die Art des Fotojournalismus allerdings, die von Fotografen wie Kevin Carter, Ken Oosterbroek, Greg Marinovich und João Silva praktiziert wurde, hat auch heute noch große Bedeutung für den Fotojournalismus allgemein:
- Bewusstseinsbildung: Durch die Veröffentlichung ihrer Bilder konnten diese Fotografen auf drängende soziale Probleme aufmerksam machen und das Bewusstsein der Öffentlichkeit für Themen wie Konflikte, soziale Ungerechtigkeit und Menschenrechtsverletzungen schärfen. Viele Fotografen weltweit folgen in deren Arbeit in den Spuren der vier.
- Dokumentation von Geschichte: Die Bilder dieser Fotografen dienen als wichtige historische Dokumente, die Ereignisse und Konflikte festhalten, die oft von den offiziellen Geschichtsbüchern übersehen werden könnten. Sie ermöglichen es, vergangene Ereignisse zu verstehen und aus ihnen zu lernen. Diese Fotos sind Zeitzeugen um Geschichte, Verbrechen, Verschleierungen aufzuarbeiten. Sie dienen heute noch in Prozessen. Ohne sie wären nach wie vor Lügen als angebliche Wahrheit präsent.
- Förderung des Wandels: Die eindringlichen Bilder dieser Fotografen haben dazu beigetragen, öffentlichen Druck auf Regierungen und Institutionen auszuüben, um Veränderungen herbeizuführen. Sie haben dazu beigetragen, politische Maßnahmen zu beeinflussen und den Weg für soziale Reformen zu ebnen. Weltweit wurden Menschen die Augen geöffnet zum Krieg in Vietnam, zur Hungersnot im Sudan, zum Genozid in Ruanda, Ausbeutung und Verelendung, Ungerechtigkeit in so vielen Regionen und Ländern. Menschen demonstrieren gegen Krieg, sammeln für Nahrungsspenden. Das ist auch ein Erbe all dieser Fotografen, die tagtäglich ihr Leben riskieren für diese Aufnahmen.
- Ethik und Verantwortung im Fotojournalismus: Die Diskussionen über die ethischen Fragen im Fotojournalismus, die durch die Arbeiten dieser Fotografen angestoßen wurden, haben dazu beigetragen, Standards und Best Practices in der Branche zu entwickeln und zu stärken. Fotografen wie Chris Hondros, der 2011 in Libyen getötet wurde, machten es sich zur Aufgabe den Menschen auch privat zu helfen, nachdem der Fotojob erledigt war. In dem Film „Hondros“ kommt das immer wieder zutage.
Fazit
Insgesamt hat die Art des Fotojournalismus, die von diesen Fotografen praktiziert wurde, auch heute noch eine immense Bedeutung, da sie dazu beiträgt, die Welt zu verstehen, Ungerechtigkeiten aufzudecken und positive Veränderungen herbeizuführen.
Für mich bleibt die Erinnerung an Zeitgeschichte, der Respekt vor ihnen als Mensch und vor ihrer Arbeit und die emotionale Verbindung zu den vier als Fotografen. Und durch ihre Geschichte empfinde ich das Gleiche zu allen Kriegsfotografen weltweit, von denen ich sehr vielen auf Instagram täglich folge.
Der Mensch ist erst wirklich tot, wenn niemand mehr an ihn denkt. – Bertolt Brecht
National Geographics hat in einem Artikel etwas zusammengefasst: Kinderfotos, die die Weltgeschichte veränderten. Genau das ist der Erbe all dieser Fotografen.
<3 Ken und Kevin und Chris und ....