Königsstädte Marokkos Teil 2 – Fès, Wiege der marokkanischen Kultur … und dann weiter

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Ankunft in Fès

Angekommen dann endlich, lag unser Riad mitten in der Medina von Fès, im Zentrum der historischen Altstadt, die man durch eines der vielen eindrucksvollen Stadttore erreicht. Diese Lage brachte uns direkt ins Herz des Geschehens und erlaubte uns, die Stadt hautnah zu erleben. Die engen Gassen, das geschäftige Treiben und der Wechsel von Licht und Schatten auf den alten Mauern schufen eine besondere Atmosphäre, die den Charme der Medina perfekt einfing und auf deren Erkundung wir uns schon freuten.

Fès: Eine beeindruckende Erkundungstour mit Samira

Am nächsten Morgen begann unsere Erkundung von Fès mit einem besonderen Guide: Samira, die uns ihre Stadt auf einzigartige Weise näherbrachte.

Bevor wir uns in die tiefen Gassen der Medina wagten, besuchten wir am Morgen den imposanten Königspalast von Fès. Seine goldenen Tore und die kunstvollen Mosaiken sind ein eindrucksvolles Beispiel marokkanischer Architektur und spiegeln den Glanz und die historische Bedeutung der Stadt wider. Auch wenn der Palast selbst für die Öffentlichkeit nicht zugänglich ist, beeindruckt allein schon die prachtvolle Fassade.

Von dort führte uns Samira entlang des Mellah, dem jüdischen Viertel von Fès, das im 15. Jahrhundert entstand und einst das Herzstück der jüdischen Gemeinschaft Marokkos war. Die Straßen hier sind breiter, und die Architektur unterscheidet sich deutlich von der arabischen Altstadt. Samira erzählte uns von der Geschichte des Viertels und der Synagoge Ibn Danan, einer der ältesten und am besten erhaltenen Synagogen Marokkos, die auch heute noch besucht werden kann.

Unser nächster Stopp führte uns auf eine Anhöhe, die gelegentlich als offene Moschee für spezielle Anlässe genutzt wird. Von hier aus hatten wir einen atemberaubenden Panoramablick auf die historische Altstadt – ein Meer aus dichten Gassen, Minaretten und traditionellen Gebäuden.

Anschließend besuchten wir eine Töpferei, in der auch kunstvolle Mosaike hergestellt werden – das Handwerk und die Präzision der Arbeit waren beeindruckend.

Ab in die Medina

Diese Einführung in die vielfältigen Facetten von Fès bereitete uns perfekt auf das Abenteuer in der Medina vor, das uns anschließend erwartete. Denn der wahre Kern unserer Tour begann dann in der Medina selbst. Die Altstadt von Fès ist ein lebendiges Labyrinth aus Souks und Gassen, enger und verwinkelter, als wir es uns hätten vorstellen können. Ohne Samira hätten wir uns dort schlichtweg verlaufen. Sie wuchs in diesen Gassen auf und führte uns mit einer Leichtigkeit durch enge Abkürzungen, die manchmal so schmal waren, dass ich meinen Bauch quer drehen musste, um durchzukommen!

Fès Medina: Eine quirlige Reise durch Handwerkstraditionen und heilige Stätten

In der Medina von Fès taucht man vollständig in die Welt traditioneller Handwerkskunst ein – ein Erlebnis, das alle Sinne anspricht und uns tief in die Kultur Marokkos eintauchen ließ. Samira führte uns durch die verschiedenen Handwerksviertel, in denen die Jahrhunderte alten Techniken noch heute lebendig sind.

Einer der ersten Stopps war das Färberviertel, wo leuchtend gefärbte Stoffbahnen die Höfe und Gassen schmücken. Hier riecht es intensiv nach den natürlichen Pigmenten und Pflanzenextrakten, die verwendet werden, um Wolle und Baumwolle in kräftige Rottöne, Indigo und Gelb zu tauchen. Die Farben leuchten im Sonnenlicht und schaffen eine fast magische Atmosphäre, die uns staunen ließ.

Im Gerberviertel erreichte das Erlebnis seinen Höhepunkt. Die berühmten Gerbereien von Fès sind bekannt für ihre imposanten Farbbecken, die in warmen Ocker-, Braun- und Rottönen leuchten und in denen Leder seit Jahrhunderten auf traditionelle Weise gegerbt wird. Hier waren nicht nur die Augen, sondern vor allem die Nase gefordert: Der kräftige Geruch, der durch den Einsatz von Taubenkot und natürlichen Stoffen entsteht, ist berühmt-berüchtigt. Zum Glück verteilte man frische Minzzweige, die wir vor die Nase halten konnten, um den intensiven Geruch etwas abzumildern. Der Blick auf die Arbeit der Gerber und die perfekt aufeinander abgestimmten Farbbecken machte den Besuch unvergesslich.

Auch das Textilviertel bot eine Fülle an Farben und Strukturen, die das Auge begeisterten. Hier werden kunstvolle Teppiche, Tücher und Schals von Hand gewebt, oft mit traditionellen Mustern, die die Geschichte und Kultur der Region widerspiegeln. Es war beeindruckend, die Präzision zu beobachten, mit der die Weber ihre Stoffe fertigten, und die Texturen unter den Händen zu spüren. Aber alle Gewerke und Verkaufsangebote sind spannend und inspirierend.

Der religiöse Teil der Medina

Zwischen all diesen Handwerksvierteln liegen in der Medina von Fès auch zahlreiche religiöse Stätten, die eine Atmosphäre der Spiritualität schaffen. Besonders beeindruckend war die Kairaouine-Moschee, eine der ältesten Universitäten der Welt und ein bedeutender Ort für die islamische Gelehrsamkeit. Obwohl der Zutritt für Nicht-Muslime nicht erlaubt ist, konnten wir einen Blick in den Innenhof werfen und die kunstvollen Verzierungen und ruhige Atmosphäre bewundern. Fotografiert habe ich dort nicht.

Aber es gibt dort die Medersa Bou Inania, eine der bekanntesten und prächtigsten ehemaligen Koranschulen Marokkos. Die Medersa wurde im 14. Jahrhundert unter Sultan Abu Inan Faris errichtet und ist ein Meisterwerk der islamischen Architektur. Ihre kunstvollen Verzierungen mit geschnitztem Zedernholz, fein gearbeiteten Mosaiken und prachtvollen Stuckarbeiten sind beeindruckend. Die Medersa diente nicht nur als Schule, sondern auch als Moschee und Ort der Gelehrsamkeit. Sie ist eine der wenigen religiösen Stätten in Marokko, die auch für Nicht-Muslime zugänglich ist, und bietet so einen seltenen Einblick in die spirituelle Welt und Architektur Marokkos.

in den Souks der Medina von Fès befindet sich auch das Mausoleum von Moulay Idriss II., eine der bedeutendsten heiligen Stätten der Stadt. Moulay Idriss II. gilt als Gründer von Fès und spielte eine zentrale Rolle in der islamischen Geschichte Marokkos. Sein Mausoleum ist ein beliebter Pilgerort, und viele Gläubige kommen hierher, um zu beten und Segen zu erbitten.

Das Mausoleum liegt inmitten der lebhaften Gassen der Medina und ist umgeben von Handwerksvierteln und Geschäften. Auch wenn der Eintritt ins eigentliche Grab für Nicht-Muslime nicht gestattet ist, kann man von der Tür aus die prachtvolle Innenausstattung sehen, die mit Kacheln, feinen Holzschnitzereien und kunstvollen Lampen geschmückt ist. Die Atmosphäre hier ist friedlich und würdevoll – ein faszinierender Kontrast zum geschäftigen Treiben der Souks ringsherum.

In der Medina von Fès waren wir mit allen Sinnen gefordert und beeindruckt. Jeder Schritt durch dieses Labyrinth aus Handwerk und Geschichte offenbarte eine neue Facette der Kultur Marokkos, die uns tief berührte.

Von Fès Richtung Marrakesch: Eine Reise durch das Herz Marokkos

Am nächsten Morgen verließen wir Fès und machten uns auf den Weg Richtung Marrakesch, eine Strecke von knapp 400 Kilometern quer durch das Landesinnere. Um die Fahrt in Ruhe genießen zu können und die Vielfalt Marokkos abseits der touristischen Pfade zu erleben, planten wir eine Übernachtung ein. Die Route führte uns durch kleine Städte und Dörfer, die das authentische Leben im Herzen des Landes zeigten.

Unterwegs beobachteten wir das geschäftige Treiben an Tankstellen und auf kleinen Wochenmärkten, wo Einheimische Waren verkauften und die sozialen Treffpunkte des Alltags waren. Ein besonderer Halt war die Stadt Ifrane, die mit ihrer überraschend europäischen Architektur und den gepflegten Häusern einen unerwarteten Kontrast zu den typischen marokkanischen Städten bot.

Kurz darauf erreichten wir Beni-Mellal, wo wir von einem Festtagsbanner begrüßt wurden – das Rosenfestival war gerade angekündigt. Wir spazierten etwas durch den kleinen Stadtpark mit seiner Quelle. Der Sage nach wird der Quelle Heilkräfte zugewiesen. Wenn Frauen, die keine Kinder bekommen können, von der Quelle Wasser trinken soll es helfen. So der Volksmund und die Sage. Wir ließen es aber sicherheitshalber sein.

Die Stadt liegt malerisch am Fuß des Mittleren Atlas, überragt von einer kleinen Festung, die uns ein spektakuläres Panorama über die Landschaft bot.


Die Festung Kasbah Ras el Ain thront auf einem Hügel über der Stadt und bietet einen beeindruckenden Ausblick über die gesamte Region. Die Kasbah stammt aus dem 17. Jahrhundert und wurde von Moulay Ismail, einem bedeutenden Sultan Marokkos, als strategischer Außenposten erbaut. Von hier aus lässt sich die fruchtbare Landschaft um Beni-Mellal bewundern, mit Olivenhainen, Obstplantagen und den Ausläufern des Mittleren Atlas im Hintergrund.

Der Anblick von hier oben war schlichtweg spektakulär: Das Zusammenspiel von Bergen, grünen Tälern und der weiten Aussicht auf die Stadt brachte uns die Schönheit und Vielfalt der marokkanischen Natur noch einmal besonders nah. Ein idealer Ort, um in die Vergangenheit der Region einzutauchen und einen Moment der Ruhe inmitten dieser lebendigen Reise zu genießen.

Diese entspannte und eindrucksvolle Fahrt brachte uns die vielen Gesichter Marokkos näher – von den Bergen über die Märkte bis zu den kleinen Städten, die voller Leben und Tradition sind. Übernachtet haben wir in einem kleinen Hotel am Stadtrand von Afourer.

Auf dem Weg nach Marrakesch: Ein Abstecher ins Atlasgebirge

Am nächsten Morgen entschieden wir uns nach Absprache mit Youssef, die Fahrt nach Marrakesch aufzuschieben, um noch mehr von der malerischen Landschaft und den Menschen in den Dörfern des Atlasgebirges kennenzulernen. So brachen wir auf zu einer Tour durch die beeindruckenden Gebirgspfade, wo sich die Straßen wie Schlangen durch die Hügel wanden und sich die Anwesen harmonisch in die Landschaft schmiegten.

Unser erster Stopp war an einer Talsperre, die durch jahrelangen Wassermangel ungewöhnlich leer war und uns die Dringlichkeit des Wasserschutzes in Marokko vor Augen führte. Kurz zuvor durchquerten wir eine Wald- und Seenlandschaft, die in üppigen Grüntönen leuchtete – ein seltener Anblick inmitten der ansonsten kargen Landschaft und eine farbenfrohe Überraschung.

Die Ouzoud-Wasserfälle: Ein Naturwunder mit 660 Stufen … hinauf

Auf unserer Reise machten wir auch Halt an den berühmten Ouzoud-Wasserfällen, einem der beeindruckendsten Naturwunder Marokkos. Die Wasserfälle stürzen sich rund 110 Meter in die Tiefe, umgeben von einer üppigen Vegetation, die in sattem Grün leuchtet und das Rauschen des Wassers zu einem fast magischen Erlebnis macht.

Unser Weg führte uns zunächst oben entlang des Wasserfalls, wo man den freien Blick über die tosenden Kaskaden genießen kann. Von dort aus ging es auf lehmigen Pfaden weiter nach unten, und Schritt für Schritt öffneten sich neue Ausblicke auf das Naturschauspiel. Die frische Gischt lag in der Luft und die Pflanzen entlang des Weges strahlten in saftigen Grüntönen – ein Kontrast zum rötlichen, erdigen Untergrund.

Nachdem wir den Fuß der Wasserfälle erreicht hatten, nahmen wir auf der Gegenseite den Weg nach oben, über Treppen mit insgesamt stolzen 660 Stufen. Jeder Teilaufstieg bot noch einmal einzigartige Ausblicke auf das fallende Wasser und die umliegende Landschaft. Es war eine Herausforderung an Rücken, Knie und Kondition, die sich jedoch mehr als lohnte – die Schönheit und Kraft der Natur aus dieser Perspektive zu erleben, war schlicht überwältigend.

Besuch einer Olivenmühle

In einem kleinen Dorf besuchten wir spontan eine traditionelle Olivenmühle. Die Bewohner empfingen uns mit großer Herzlichkeit und luden uns ein, frisch gepresstes Olivenöl mit Brot zu probieren – eine kleine Kostprobe der regionalen Spezialitäten. Sie zeigten uns die verschiedenen Arbeitsschritte, vom Mahlen der Oliven auf einem alten Mühlstein über die Maische bis hin zur Presse, die das kostbare, kaltgepresste Olivenöl hervorbrachte. Ich durfte sogar selbst Hand anlegen, als „Hilfsarbeiter“ bei einigen Schritten, was die Erfahrung besonders lebendig machte.

Nach diesem ereignisreichen Tag und vielen neuen Eindrücken erreichten wir spätabends unser Riad in Marrakesch, müde, aber reich an Eindrücken und Begegnungen.

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